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Theologe Striet sieht Bastian Schweinsteiger als “modernen Märtyrer”

Fußballspiele als modernes Pilgern, Spieler als Märtyrer: Der Freiburger Theologe Striet beschreibt, wie sich das religiöse Bedürfnis nach Gemeinschaft von der Wallfahrt ins Stadion verlagert.

Bastian Schweinsteiger ist für den Freiburger Theologen Magnus Striet ein moderner Märtyrer. “Völlig entkräftet und behelfsmäßig genäht wurde er im Finale zum Inbegriff des modernen Märtyrers oder zumindest eines sich aufopfernden Schmerzensmannes”, schreibt er mit Blick auf die Fußballweltmeisterschaft 2014 in der aktuellen Spezial-Ausgabe der Herder-Korrespondenz zum Thema Pilgern und Wallfahren. So habe sich Schweinsteiger ins kollektive mediale Gedächtnis Deutschlands eingeschrieben.

Neben Heiligenlegenden und Märtyrern gebe es zwischen Fußball und Kirche zahlreiche Parallelen: “choreografierte Wechselgesänge”, Weihrauch und Pyrotechnik und das Hochheben des Pokals. Es sei bemerkenswert, dass die Kirche noch nie versucht habe, Plagiatsansprüche gegen die international agierende Kulturindustrie geltend zu machen.

Auch das Pilgern ins Stadion erinnere an die gemeinschaftsbildende Funktion des religiösen Pilgerns, schreibt Striet. Wer religiös pilgere, suche zumeist Gemeinschaft. Zwar gebe es auch allein Pilgernde, doch das ritualisierte Pilgern – wie etwa im aktuellen Heiligen Jahr – sei stets als Gemeinschaftsveranstaltung organisiert gewesen. Heute kanalisierten sich menschliche Vergemeinschaftungsbedürfnisse stark “in die modernen Zentren kultureller Gemeinschaftsbildung”, wie Sportstadien und Musikevents. Ähnlich wie der kirchliche Festkreis sei das Event Fußball “im Jahresrhythmus inszeniert”: “Nach der Saison ist vor der Saison. Auch der liturgische Fußballkalender ist auf stete Wiederholung aus.”

Moderne Gesellschaften seien hochkomplex, schreibt Striet. Und weiter: “Wer darum weiß, entlastet sich dennoch – nimmt seinen Fanschal, bucht orthodox natürlich den Stehplatz, singt enthusiastisch die Vereinshymnen mit und verliert sich in der Menge.” Es sei zwar “absurd zu jubeln, wenn überbezahlte Profis ein Tor schießen oder den Gegner abgrätschen”. Aber weil Menschen Entlastung bräuchten, pilgerten sie dorthin, wo sie diese bekommen.