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“taz” verabschiedet sich von der gedruckten Werktagsausgabe

Als erste überregionale Tageszeitung stellt die Berliner “taz” die gedruckten Ausgaben unter der Woche ein. Die Redaktion will ganz aufs Digitale setzen und das eingesparte Geld in den Journalismus stecken.

Vom kommenden Montag an wird die werktägliche Ausgabe der Berliner Tageszeitung “taz” nur noch als E-Paper und App publiziert, die Wochenendausgabe (“wochentaz”) erscheint dagegen weiterhin gedruckt und digital. “Seitenwende” nennen die Verantwortlichen der “taz” die Umstellung, die das Ende der gedruckten Tageszeitung bedeutet.

“Während die Druck- und Vertriebskosten in den letzten Jahren immer weiter gestiegen sind, haben sich die Lesegewohnheiten stark verändert”, nannte Geschäftsführer Andreas Marggraf bei der Pressekonferenz am Dienstag in Berlin als Begründung für die Umstellung. Schon jetzt würden 60 Prozent der Menschen, die die werktägliche Ausgabe abonniert haben, die “taz” nur digital lesen. Co-Geschäftsführerin Aline Lüllmann ergänzte, dass 59 Prozent der bisherigen Print-Leser angegeben hätten, “den Wechsel mit uns zu gehen. Sie zeigen damit, dass es auf die Inhalte der ‘taz’ ankommt und nicht auf das Medium.”

Nach Angaben der Geschäftsführung geht es dem Verlag wirtschaftlich gut genug, dass der einkalkulierte Rückgang von 20 bis 30 Prozent bei den Abos für die gedruckte Zeitung – derzeit noch knapp über 14.000 Exemplare – verkraftet werden kann. Ein Stellenabbau sei weder in der Redaktion noch in der Verwaltung geplant, die eingesparten Summen bei Druck und Vertrieb würden in die “gezielte Verbreitung unserer Berichterstattung aus linker Perspektive” investiert, sagte Katrin Gottschalk, Vizechefredakteurin und Leiterin der digitalen Produktentwicklung. Diese Verbreitung sei im Digitalen noch erfolgreicher als gedruckt.

Dabei wird auf taz.de, Podcasts und Social-Media-Kanäle gesetzt. Bei Instagram beispielsweise ist die Followerschaft nach Verlagsangaben mit einem Zuwachs von 183 Prozent “praktisch explodiert”, auch taz.de kann sich über steigende Zugriffszahlen freuen. Die zunehmende Konkurrenz und Nutzung von KI-Chatbots im Bereich der Suchmaschinen, wie sie bei anderen Medien zunehmend festgestellt wird, findet nach Aussage von Geschäftsführung und Chefredaktion bei den digitalen Auftritten der “taz” nicht statt. Um Erfolg und Sichtbarkeit des haustypischen Journalismus auszubauen, wird auch weiterhin auf den Einsatz einer Paywall bei der Homepage taz.de verzichtet.

Chefredakteurin Barbara Junge sieht im digitalen Wachstum und dem anhaltenden Erfolg der “wochentaz” die Grundlage für die “Seitenwende”: “Ich wünsche mir für uns und für die anderen Qualitätszeitungen, dass wir alle den Sprung schaffen.” Ihre Chefredakteurs-Kollegin Ulrike Winkelmann stellte fest, der Bedarf an Journalismus, der seriös recherchiere, kontrovers diskutiere, aber auch eine klare Haltung habe, wachse.

Das Kombi-Abo, bestehend aus dem täglichen E-Paper und der gedruckten “wochentaz”, soll trotz der wegfallenden Kosten für Papier, Druck und Vertrieb genauso viel kosten wie bisher. Die Kunden zahlten “für den Journalismus, nicht für das Papier”, so Winkelmann. Die “taz” setze weiterhin auf ihr “solidarisches Preismodell”.

Für die letzte gedruckte Ausgabe am 17. Oktober setzt die “taz” auf Beiträge von T. C. Boyle, Sibylle Berg oder Feridun Zaimoglu unter dem Motto “Solidarität und Aufbruch”. Die erste Nur-E-Paper-Ausgabe können die Leser am kommenden Sonntag ab 20 Uhr nutzen. 26 digitale statt bislang 28 gedruckte wie digitale Seiten sind angekündigt.

Die “taz” ist die erste überregionale Tageszeitung, die diesen Schritt zum reinen E-Paper-Auftritt geht. Branchenweit hatten bislang nur wenige Titel wie die “Märkische Allgemeine” für einige ihrer Lokalausgaben das Ende der gedruckten Zeitung beschlossen.