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Tablet-Stop in Unterstufe: Verbände kritisieren “abrupte Kehrtwende”

Nach dem von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verkündeten Tablet-Stop in der Unterstufe warnen Bildungsverbände vor einem Planungschaos an Schulen. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) sprach am Dienstag von einer „abrupten Kehrtwende“. Viele Schulen hätten ihre digitale Infrastruktur aufgebaut und Konzepte erarbeitet. „Rein in die digitale Welt und jetzt wieder raus“, das sorge für enormen Unmut an den Schulen, sagte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann.

Ursprünglich sollten bis spätestens 2028 alle Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse mit digitalen Endgeräten ausgestattet werden. Die Debatte über deren Einsatz sei zwar sinnvoll, weil Kernkompetenzen wie Lesen, Rechnen und Schreiben analog vermittelt werden sollten, betonte Fleischmann. Es sollte aber den Lehrkräften vor Ort überlassen sein, situativ nach pädagogischen Kriterien zu entscheiden, wann und wie sie ein Tablet einsetzen wollen.

Der Beschluss sorge für Planungschaos und Unsicherheit an den Schulen, sagte auch der Vorsitzende des Bayerischen Realschullehrerverbands (brlv), Ulrich Babl. Es sei sicherlich sinnvoll, beim Einsatz digitaler Endgeräte auf die Bremse zu treten. Doch der jetzige Vorstoß sei eine „drastische Digital-Rolle rückwärts“. Die Planungen für das nächste Schuljahr liefen bereits auf Hochtouren, Medienkompetenzteams arbeiteten seit Monaten an schlüssigen Konzepten. „Es darf nicht sein, dass ihnen nun der Stecker gezogen wird.“

Der Bayerische Philologenverband (bpv) hingegen begrüßt das Vorhaben der Staatsregierung. „Wir haben uns seit letztem Jahr wiederholt für diese Linie starkgemacht“, sagte der bpv-Vorsitzende Michael Schwägerl. Der sinnvolle und kritische Umgang mit digitalen Endgeräten setze voraus, dass davor analoge Grundfähigkeiten erworben und eingeübt werden. Mit Blick auf die Schulen und deren Planungen hätte aber auch er sich bereits früher eine solche Entscheidung gewünscht.

Ministerpräsident Söder hatte am Montag nach der Kabinettsklausur am Tegernsee angekündigt, dass mobile Endgeräte erst ab der 8. Klasse zum Einsatz kommen sollten. „Umso jünger, umso weniger digital, dafür mehr klassisch“, sagte er. „Vorher liegt der Schwerpunkt auf Schreiben, Lesen, Handschrift.“ Die klassischen Bildungsideale blieben damit in Bayern erhalten. Der Vorschlag, „der mir sehr gefällt“, kam laut Söder von Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler).

Stolz präzisierte am Montag auf epd-Anfrage die Äußerungen Söders: Die 1:1-Ausstattung mit persönlichen digitalen Geräten soll künftig „in der Regel ab der 8. Jahrgangsstufe“ beginnen. Von einem Verbot sprach die Kultusministerin nicht. Es solle vielmehr künftig noch mehr Augenmaß bei der digitalen Bildung geben als bisher. „Und das heißt für mich ganz klar: umso jünger, umso weniger. Denn gerade in den ersten Schuljahren ist der Erwerb von analogen Kompetenzen entscheidend.“

Schulen, die einen pädagogischen Schwerpunkt auf digitale Kompetenzen setzen, könnten bereits in der 7. Klasse starten. In der Grundschule und in der 5. und 6. Klasse sollten die Schülerinnen und Schüler sukzessive an das digitale Lernen herangeführt werden. Für sie soll es weiterhin schulische Leihgeräte geben. Insgesamt stehen laut Stolz an den bayerischen Schulen derzeit rund 450.000 mobile Endgeräte für Schülerinnen und Schüler, davon rund 140.000 allein an den Grundschulen, zur Verfügung. (1834/03.06.2025)