Kindern viel vorzulesen – das ist nach Einschätzung von Suhrkamp-Verleger Jonathan Landgrebe so wichtig wie nie zuvor. 75 Jahre nach Gründung des Verlags ist er überzeugt, dass gute Bücher trotz KI eine Zukunft haben.
Suhrkamp-Verleger Jonathan Landgrebe, der nach eigenen Angaben jährlich hunderte Manuskripte liest, sieht die Zukunft des Buches von KI nicht bedroht. Auch “die KI wird an Grenzen geraten. Gerade die Dinge, die unsere Autorinnen und Autoren denken, und erforschen oder literarisch erschaffen, werden sich zu großen Teilen nicht durch KI ersetzen lassen”, sagte Landgrebe am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin.
“Ich bin sicher, dass Bücher – und zwar sowohl Sachbücher als auch literarische Bücher – weiterhin eine nachhaltige Bedeutung haben werden. Es gibt einfach keine schönere und konzentriertere Form, das Denken anzuregen”, so Landgrebe.
Angst vor KI sei bei verlegerischer Arbeit nicht zielführend. “Angst ist der falsche Begriff. Die absehbar grundlegenden Veränderungen, die mit KI einhergehen, müssen uns alle beschäftigen. Wer das nicht berücksichtigt, der macht ganz sicher einen Fehler.”
Aufgrund der vielen Krisen interessierten sich die Menschen aktuell für weniger anspruchsvolle Lektüre, so der Verleger weiter. “Es gibt zurzeit sicherlich ein Bedürfnis nach leichterer Lektüre, nach Fantasiewelten, nach Momenten, in denen man sich nicht den Realitäten stellen muss, mit denen wir heute konfrontiert sind”, so Landgrebe. “Auf der anderen Seite bleiben Bücher nachgefragt, die sich den aktuellen Debatten stellen, Bücher, von denen man etwas lernen kann.”
Gerade für Kinder und junge Menschen seien Bücher nach wie vor eine wichtige Möglichkeit, etwas über das Leben zu lernen. “Kinder und junge Erwachsene sind diejenigen, die all dem, was augenblicklich passiert, am stärksten ausgesetzt sind – insbesondere in den sozialen Medien”, so Landgrebe. “Und wenn man daran glaubt, dass Lesen, Bücher und Literatur eine Rolle spielen für den einzelnen Menschen und die ganze Gesellschaft, dann sollte man dabei als allererstes an die Kinder und Jugendlichen denken.”
Um Kinder und Jugendliche fürs Lesen zu begeistern, sei eine gute Mischung von Leseangeboten wichtig, erklärte der Verleger. “Das Besondere, aber zugleich die Bereitschaft, auch mal einen zugänglicheren Weg ins Lesen als ersten Schritt zu akzeptieren”, so Landgrebe. Auch Eltern seien dabei gefragt: “Kindern vorzulesen, das war nie wichtiger als heute.”
Der Suhrkamp-Verlag, 1950 von Peter Suhrkamp in Frankfurt am Main gegründet, feiert am 1. Juli sein 75-jähriges Bestehen; Sitz ist mittlerweile Berlin. Bis heute werden erfolgreich Nachkriegsautoren wie Max Frisch, Bertolt Brecht und Hermann Hesse verlegt. Suhrkamp gilt als Verlag, der die politische und kulturelle Entwicklung der Bundesrepublik widerspiegelt und internationale Debatten abbildet.