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Studie: Telefonseelsorge verspricht, du bist nicht allein

Die Telefonseelsorge könnte ein Vorbild für eine Kirche sein, die für alle Menschen direkt und überall da ist: Das ist eines der Ergebnisse einer „Wirksamkeitsstudie“ zur Arbeit der Telefonseelsorge in Bayern, die am Mittwochabend in Nürnberg vorgestellt wurde. Die Telefonseelsorge sei ein „wichtiger Lernort für Kirche und die Zivilgesellschaft“, sagte dort der Theologe Matthias Sellmann vom Zentrum für angewandte Pastoralforschung der Ruhr-Universität Bochum, das die Untersuchung erstellt hat.

Die Telefonseelsorge verspricht, „wenn dir die Herausforderungen deines Lebens zu groß werden, bist du nicht allein“, sagte Sellmann. Es gebe diese Nummer, unter der jeder immer anrufen könne und dort einen anderen Menschen antreffe. Er nannte dies die Einlösung eines elementaren Versprechens und die „Urkraft der Bürgergesellschaft“. Die Arbeit der Telefonseelsorge wende sich dem konkreten Menschen zu und teile mit ihm Freude, Hoffnung, Trauer und Angst„. Damit sei sie exemplarisch für eine kirchliche Arbeit, “die konsequent das Wohl des leidenden Menschen in den Mittelpunkt stellt”.

Die Studienmacher konnten für ihre Untersuchung die Fragebögen von über 800 Personen heranziehen. Sie befragten Haupt- und Ehrenamtliche der Telefonseelsorge, Vertreterinnen und Vertreter der evangelischen und katholischen Träger, aber auch Zuschussgeber und Fachkräfte, mit denen die Beratungsstellen zusammenarbeiten.

Beeindruckt hat die Studienautorin Miriam Zimmer, dass mehr als 50 Prozent der Ehrenamtlichen die Fragebögen für die Untersuchung ausfüllten, eine außergewöhnlich hohe Zahl für eine solche Studie. Bemerkenswert war für Zimmer auch, dass 24 Prozent unter den über 1.000 ehrenamtlichen Mitarbeitenden in den 17 bayerischen Telefonseelsorgestellen aus der Kirche ausgetreten sind und trotzdem im Dienst der beiden großen Kirchen stünden. „Das bringt Reputation für die Kirchen zurück“, interpretierte Zimmer die Zahl.

Herausgekommen ist bei der Studie, dass die bayerischen Telefonseelsorgestellen eine „hohe Relevanz für einsame und trauernde Menschen“ hätten. Sie würden bestehende Beratungsangebote ergänzen und psychosoziale Dienste entlasten, hieß es. Weitere Merkmale seien die ökumenische Zusammenarbeit, die ehrenamtlichen Mitarbeitenden und zugleich ihre Professionalität im Zusammenspiel mit den Hauptamtlichen.

Der bayerische Landesbischof Christian Kopp sagte, die Studie zeige, „wie unverzichtbar die Telefonseelsorge für unsere Gesellschaft ist“. Sie mache sichtbar, „wie Kirche dort wirksam wird, wo sie den Menschen in seiner Verletzlichkeit ernst nimmt.“ Die Zukunft der Telefonseelsorge müsse gesichert werden, sagte Kopp weiter: „Angesichts sinkender Kirchensteuereinnahmen und zunehmender Belastungen für Haupt- und Ehrenamtliche steht die Qualität dieser Arbeit auf dem Spiel. Für mich gehört die Telefonseelsorge zum Kern kirchlicher Arbeit in unserer Gesellschaft, die mehr denn je Kontakt, Orientierung und Mitmenschlichkeit braucht.“

Die langjährige Leiterin der Telefonseelsorge Würzburg, Ruth Belzner, macht sich Sorgen um die Finanzierung der Telefonseelsorge und befürchtet, dass eine unzureichende Finanzierung Ehrenamtliche frustriert und von ihrem Engagement abhält. Die Studie empfiehlt auch deshalb eine „robuste personelle Ausstattung“ der Stellen, damit Qualität und Verfügbarkeit erhalten werden könnten. Unzufrieden zeigten sich die Teilnehmenden bei der Studien-Präsentation, dass der Freistaat Bayern sich nicht an der Finanzierung der Telefonseelsorgestellen beteilige.

Die Untersuchung lobt, dass die Telefonseelsorge bereits digitale Beratungsformen erprobe und regt an, angesichts der zunehmenden religiösen Diversifizierung in Deutschland Schritte in Richtung einer interreligiösen Telefonseelsorge zu gehen. „Es wäre einen Versuch wert, auch zum Beispiel mit muslimischen oder jüdischen Verbänden zusammenzuarbeiten“, heißt es.

Bei der Telefonseelsorge registriert die Telekom jährlich etwa 19 Millionen Anwahlversuche. Die bayerischen Telefonseelsorgen führten im Jahr 2024 rund 180.000 Gespräche, fast 10.000 E-Mail-Konversationen und schrieben Ratsuchende in 4.400 Chats. Die Nachfrage nach Beratung sei höher als das Angebot an freien Leitungen, teilt die Telefonseelsorge mit. (3387/30.10.2025)