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Studie: Opfer von Machtmissbrauch passen ihre Normen an

Menschen, die Machtmissbrauch erfahren, bewerten laut einer Studie das unfaire Verhalten der Verantwortlichen mit der Zeit als weniger schlimm. Die moralischen Maßstäbe der Betroffenen können sich verschieben und dadurch den Widerstand gegen Missbrauch schwächen, schreibt die Universität Mannheim in einer Mitteilung vom Donnerstag.

Wissenschaftler der Universitäten Mannheim und Maastricht sowie der Humboldt-Universität zu Berlin führten den Angaben zufolge mit 280 Personen ein Laborexperiment durch: In künstlich geschaffenen Kleingruppen erhielt jeweils eine Person die Befugnis, andere zu bestrafen, ohne selbst Regeln einhalten zu müssen. Teilnehmer, die einer solchen missbräuchlich agierenden Person ausgesetzt waren, stuften deren eigennütziges und forderndes Verhalten später als sozial weniger unangemessen ein. Personen, die keine Missbrauchserfahrung machten, blieben in ihrem Urteil über das Verhalten deutlich härter.

Beteiligt an der Studie war der Mannheimer Wirtschaftswissenschaftler Wladislaw Mill. „Machtmissbrauch verändert nicht nur das Verhalten der Mächtigen, sondern auch das moralische Urteil der Ohnmächtigen“, betonte er. Die Studienergebnisse deuteten darauf hin, dass die Akzeptanz von Fehlverhalten durch die Leidtragenden den gesellschaftlichen Widerstand dagegen schwächen könne. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, warum sich korrupte Strukturen oft lange hielten. „Gerade weil Betroffene den Machtmissbrauch selbst erleben, beginnen sie, ihn zu rechtfertigen – nicht aus Überzeugung, sondern weil sie sich an die Umstände anpassen“, erklärte Mill.

Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Kyklos“. (1412/12.06.2025)