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Stress gehört hier zum Alltag

Krankenschwester Nicole Scholz arbeitet in der Notaufnahme des Evangelischen Krankenhauses Hamm. Hier landen alle akuten Fälle von Knochenbrüchen über Norovirus-Infektionen bis zu Arbeitsunfällen. Und immer muss es schnell gehen

Wer in der Notaufnahme arbeitet, hat keinen Stress damit, was er morgens anzieht: Blaues OP-Hemd und weiße Hose vom Krankenhaus sind Pflicht. Dann aber geht der Stress los, denn man weiß nie, welche Menschen mit welchen Beschwerden und Verletzungen kommen. Und manchmal kommt alles auf einmal. Wenn zum Beispiel bei einem schweren Unfall auf der A2 viele verletzt wurden oder wenn die Hausarztpraxen Mittwoch und Freitag nachmittags geschlossen haben, dann herrscht Hochbetrieb.

„Wir können uns aufeinander verlassen“

In der Notfallambulanz landen alle akuten Fälle von Knochenbrüchen über Norovirus-Infektionen bis zu Arbeitsunfällen. Aber auch das Wetter macht sich bemerkbar. Hohe Temperaturen führen oft zu Stürzen bei älteren Menschen, weil ihnen schwindelig geworden ist. Bei Glatteis steigt die Zahl der Knochenbrüche.
Für Nicole Scholz, Krankenschwester in der Notaufnahme des Evangelischen Krankenhauses Hamm, hat der Dienst heute um sechs Uhr morgens begonnen. Sie übt den Beruf gerne aus. „Wenn nach der Behandlung jemand sagt, ich habe mich gut aufgehoben gefühlt, ich hatte gar nicht so viel Angst und es tut jetzt weniger weh“, dann sind das die Momente, in denen sie ihren Beruf als besonders schön empfindet. Der Job in der Notfallambulanz sei zwar stressig, aber eben auch abwechslungsreich. Man bleibe körperlich und geistig fit, und es sei immer auch mal Zeit für ein persönliches Wort mit den Patientinnen und Patienten.
Soeben kommt eine Frau herein, die von einer Katze gebissen wurde. Der Arm muss ruhiggestellt werden, auch wenn nichts weh tut. Die dringend notwendigen Antibiotika möchte die Patientin lieber nicht einnehmen. Schwester Nicole erklärt noch einmal, dass das wirklich notwendig sei und sie weiter krankgeschrieben bleibt. Dann tritt ein Mann ein, der auf der Baustelle gestürzt ist und sich dabei mit dem Werkzeugkasten Bein und Fuß verletzt hat.
Und bald darauf sind alle Isolierräume belegt, denn der Norovirus, Auslöser akuter Magen-Darm-Erkrankungen, scheint umzugehen. Jetzt heißt es im Krankenhaus, ein Zimmer für die älteren Patientinnen und Patienten zu suchen, die Durchfall haben und darum nicht nach Hause können. „Die Räume müssen dann wieder gesäubert und desinfiziert werden“, erklärt Schwester Nicole.
Wenn in der Notfallambulanz drei akute Fälle gleichzeitig zu behandeln sind, zum Beispiel Menschen mit Herzinfarkt oder Unfallopfer, dann wird es natürlich stressig. Oder wenn eine Kollegin krank ist. Da wisse man manchmal nicht, was man zuerst machen solle.
Aber Nicole Scholz bleibt auch in solchen Situationen ganz ruhig. „Ich weiß, gerade bei Stress können wir uns aufeinander verlassen. Wir kennen uns lange und vertrauen uns bei der Arbeit.“ Man kooperiere eng mit der Intensivstation. Da komme auch mal jemand runter und helfe, wenn es personell eng wird.
Stressig sei manchmal die Ungeduld der Patientinnen und Patienten. „Die verstehen nicht immer, warum sie so lange warten müssen. Aber wir müssen natürlich die akuten Fälle zuerst versorgen.“ Manchmal fehle dann die Zeit zu erklären, warum die Wartezeit so lang ist.
Aber nicht alle Fälle sind akut. „Das Krankenhaus wird mittlerweile auch als Arztpraxis missbraucht. Die Leute kommen mit Husten, Schnupfen und Heiserkeit“, so Nicole Scholz. Viele kämen ohne Not in die Notfallambulanz. Da müssten sie dann an den Hausarzt verweisen, sonst fehle die Zeit für die Kranken, die dringend Hilfe brauchen.

Schlimme Dinge zu erleben, gehört zum Job dazu

Neben der Patientenversorgung gehört auch der „Papierkram“ dazu. Dafür gibt es eine fest angestellte Sekretärin. Denn alle Daten der Patientinnen und Patienten müssen aufgenommen werden, damit später mit der Krankenkasse abgerechnet werden kann. Am Wochenende machen die Schwestern das dann mit. Auch muss immer wieder überprüft werden, ob in den Räumen der Notaufnahme alle Geräte funktionieren und alle Notfallmedikamente vorrätig sind, damit im akuten Fall alles bereit ist.
Aktuell kämen jetzt auch viele Flüchtlinge, die krank und auch unterernährt seien. Das größte Problem bei der Behandlung sei häufig das Sprachproblem. „Aber wir sind hier ja vom Personal auch multi-kulti“, so Nicole Scholz. Da telefonieren sie schon mal im Haus und fragen nach, wer kann übersetzen. Arabisch sprechen viele.
Manches nimmt Schwester Nicole in Gedanken auch mit nach Hause: extrem schwere Verletzungen oder Verbrennungen, die sie gesehen hat, oder wenn wie letztens ein Kind aus dem zweiten Stock gefallen ist. Dass man schlimme Dinge erlebt, gehöre zum Job dazu. „Wir sind hier ein Team. Das hilft uns, auch mit Belastungen zurechtzukommen.“