Konflikte gehören bei Paaren dazu. Das ist auch kein Wunder: Wenn zwei Menschen mit einer unterschiedlichen Lebensgeschichte, unterschiedlichen Wertvorstellungen, Bedürfnissen, Wünschen und Zielen gemeinsam auf engem Raum zusammenleben, kommt es zwangsläufig zu Spannungen. Der Professor für Psychologie an der Universität Zürich, Guy Bodenmann, ist davon überzeugt: „Streiten ist für die Partnerschaft besser als Schweigen, wenn es sich um ein wichtiges Konfliktthema handelt, das die Partnerschaft stört.“
Das Problem seien nicht die unterschiedlichen Bedürfnisse des Partners oder der Partnerin. Sondern, dass viele entweder dieser Spannung aus dem Weg gehen und Störendes in sich hineinfressen oder auf eine andere Art destruktiv streiten, wie zum Beispiel, dass es zu einem aufgeheizten und wüsten Streitgespräch kommt oder Spannungen das Paar- und Familienklima durch Grollen und Schmollen vergiften. Im schlimmsten Fall kann es bei destruktiven Konflikten dann sogar zu seelischer und körperlicher Gewalt kommen, was für das Paar und ihre Kinder schädlich ist.
Deshalb sollte Störendes rasch offen angesprochen werden und nicht erst, wenn der Unmut überhandnimmt, rät der Paartherapeut in seinem Buch „Streitet euch! Wie Konflikte Paare und Kinder stärken“, das im Patmos-Verlag (Ostfildern) erschienen ist. Denn je früher man das tut, desto größer sei die Chance auf eine positive Veränderung.
Fast alle Paar streiten über die dieselben Themen, so der Psychologe. Wenn sie Kinder haben, sind deren Erziehung das Hauptkonfliktthema. Ganz allgemein streiten die meisten wegen des Haushalts, der Freizeitgestaltung, der Herkunftsfamilie oder der Kommunikation in der Beziehung. In Paartherapien sind die drei häufigsten Streitthemen Eifersucht, Finanzen und Kinder.
Unterschiede gebe es allerdings im Streitverhalten: Zufriedene Paare streiten weniger häufig und heftig, da sie Störendes schneller ansprechen und der Streit dadurch zu keiner großen Sache wird. Sie beenden Konflikte mit einer Lösung für das Problem und sind bereit, Kompromisse einzugehen. Sie versöhnen sich rasch nach dem Konflikt, bleiben positiv und steigern sich nicht in eine destruktive Negativität hinein. Sie sprechen Gefühle und Wünsche natürlich und ungezwungen an und suchen Gründe für Störendes nicht vor allem im Partner, sondern in den Umständen, die man verändern kann.
Der Trost für alle: Konstruktives Streiten kann gelernt werden. Hierzu stellt der Psychotherapeut die von ihm entwickelte „SaGeBe-Methode“ vor: Wer einen Konflikt ansprechen will, sollte mit einer Sachinformation („Sa“) beginnen, einer konkreten Schilderung, welche Situation gestört hat. Dann sollte der Sprecher möglichst rasch auf die Gefühle („Ge“) zu sprechen kommen, und erklären, warum die Situation gestört ist und was das mit ihm gemacht hat. Schließlich sollten die Bedürfnisse („Be“) herausgearbeitet und erklärt werden, welches Verhalten man sich vom Partner in Zukunft wünscht.
Von einer solch konstruktiven Art, mit Konflikten umzugehen, profitieren alle, das Paar ebenso wie die Kinder, betont Bodenmann. Denn die Eltern verdeutlichen dem Kind, dass es eine Möglichkeit zu Streiten gibt, bei der es am Schluss nur Gewinner gibt. Ist der Streit gut, dann ist alles gut: Konstruktives Streiten hilft Paaren, längerfristig glücklich zu sein und auch den Kindern geht es dann körperlich und seelisch besser. (2625/03.11.2023)