Zwischen Bundeswehr und Elternrolle: Mit seinen Kindern über den Krieg zu reden, ist nicht leicht – erst recht für Soldaten. Ein Militärseelsorger und zwei Betroffene erzählen, warum man trotzdem offen reden sollte.
Mama, Papa, was ist Krieg? Eine kurze Frage, die sich im Licht weltweiter Konflikte sicher viele Kinder stellen – deren Beantwortung Eltern aber oft schwerfallen dürfte. Besonders denen, die als Soldaten im Ernstfall selbst betroffen wären. Wie man in einer solchen Situation mit Sohn oder Tochter über Krieg und die Angst vor dem Tod sprechen kann, berichten die Bundeswehrsoldaten Alex und Karl sowie der Kieler Militärseelsorger Thomas Pinzer.
Pinzer, der als Priester Soldaten in allen Lebenslagen berät, beobachtet, dass immer mehr von ihnen sich seit Beginn des Ukrainekrieges um die Zukunft sorgen. “In den Gesprächen äußern Soldaten die Angst, ob sie in Zukunft überhaupt nach Hause kommen”, so der katholische Geistliche. Er nehme eine wachsende Nervosität wahr. “Ich frage mich schon manchmal, wie die Leute das aushalten. Doch die gehen trotz allem mit einer unheimlichen Routine ans Werk.”
Für Hauptmann Alex gehört zu einer solchen Routine, seine Familie immer in seinen Dienst mit einzubinden. “Meine Kinder kennen das von klein auf. Wir sind eine Soldatenfamilie”, sagt der Mann, der in seinen 15 Jahren bei der Bundeswehr unter anderem im Auslandseinsatz in Jordanien war. “Ein Einsatz in einem Krisengebiet ist etwas anderes als ein Truppenübungsplatz. Meine Kinder wollten wissen, was ich da unten mache.”
Es sei wichtig, die Sorgen der Kinder nicht zu ignorieren und ihnen ehrlich zu erklären, wie und warum man seinen Dienst ableistet. “Schönreden bringt am wenigsten. Es hilft, Kindern beizubringen, warum man etwas tut, und was passieren kann.” Kinder müssten sich ernstgenommen fühlen, statt von ihren Eltern “in Zuckerwatte gepackt zu werden”, wie der Offizier sagt. Dazu gehöre auch, über den Tod zu sprechen, schon von Berufs wegen. “Soldat sein ist kein Job wie jeder andere. Wir können uns mit zivilen Arbeitgebern vergleichen, aber am Ende tragen wir eine Uniform und Waffen.”
Auch Pinzer glaubt, dass man offen mit Kindern über den Krieg sprechen sollte. “Man muss einem Kind klarmachen: Es ist schlimm, was im Krieg passiert. Aber auch, dass Eltern als Soldaten aus einem bestimmten Grund daran teilnehmen.” Wenn er Soldaten frage, warum sie Soldaten sind, komme immer wieder die Antwort: “Damit mein Kind in einem freien Land aufwachsen kann.” Diesen Wunsch nach Frieden und Freiheit könne man auch Kindern vermitteln.
Oberstabsfeldwebel Karl bestätigt, dass es hilft, Kindern den Sinn hinter dem Dienst zu erklären – solange man altersgerecht und individuell vorgeht. Karl dient bereits seit 1999, war im Einsatz in Kosovo und sechs Mal in Afghanistan. “Ich habe meinem Sohn erklärt, wir sind dort, um Menschen zu helfen, sich selber zu helfen. Diesen humanitären Ansatz konnte er nachvollziehen”, so Karl. Der Gedanke an Tod und Verwundung sei dabei oft nicht gegenwärtig. “Ich glaube, das wird von Angehörigen auch ein bisschen verdrängt”, meint der Soldat.
Doch nicht alle verdrängen – spätestens seit Beginn des Ukrainekrieges. Pinzer berichtet von den vielseitigen Sorgen der Soldatenfamilien. “Da geht es teilweise um die Bewältigung des Alltags. Wenn ich in den Krieg muss, wer passt dann auf meine Kinder auf? Wer bekommt das Sorgerecht, wenn mir etwas zustößt?” Einige erzählten ihm auch von nackter Angst. “Manche sagen, dass sie nicht in einen Krieg wollen und verweigern möchten.”
Der Krieg im Osten beschäftigt auch Hauptmann Alex. “Wir haben immer gesagt: Ach…, wird schon nichts passieren. Und dann ging es plötzlich los und wir mussten uns fragen, wo führt das hin?” Trotzdem machten sich seine Kinder noch keine konkreten Sorgen um ihn, sondern eher wegen der Bilder aus dem Kriegsgebiet. “Meine Kinder nehmen wahr, dass dieser Krieg was Schlechtes ist, etwas Bedrohliches. Aber irgendwie filtern sie die Angst um mich weg”, erklärt Alex.
Pinzer erzählt, dass Soldaten bei solchen Themen und familiären Problemen auf vielseitige Hilfe zurückgreifen können. Zusammen mit dem Eichstätter Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft wurden kindgerechte Broschüren und Kinderbücher entwickelt, die mit Titeln wie “Lena und Mamas Auslandseinsatz” oder “Sarahs Papa fährt zur See” Mut machen sollen. Zudem gibt es vielseitige Beratung durch die Seelsorger, die Truppenpsychologie, den Sozialdienst und den Sanitätsdienst der Bundeswehr.