Stachelbeer-Baiser darf auf keinen Fall fehlen. Dazu ein Käse- und ein Apfel-Wein-Kuchen. Und dann wollen die Schülerinnen und Schüler des Johannes-Falk-Hauses auch noch eine neue Torte ausprobieren: Kokos-Zitrone mit Deko. Mit ihrer Lehrerin besprechen sie bereits am Montag, was es am Mittwoch im Café Alte Werkstatt geben soll. Dann geht ein Teil der Schüler der Hauswirtschaftsklasse einkaufen. Anschließend wird gebacken. Mittwochmittag muss alles fertig sein.
Träger der Schule: der Kirchenkreis Herford
Das Johannes-Falk-Haus in Hiddenhausen ist eine Förderschule für Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Behinderung. „Etwa 40 Prozent unserer Schüler haben auch körperliche Einschränkungen“, sagt Schulleiter Axel Grothe. Träger der Schule ist der Kirchenkreis Herford. „Wir sind im Umkreis die einzige Schule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung“, so Grothe. 272 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 6 und 20 Jahren besuchen derzeit die Einrichtung.
Jetzt ist Mittwochmittag. Die Hauswirtschaftsklasse sitzt zusammen. Mehrere Aufgaben sind zu erledigen und werden verteilt. Zwei Schülerinnen wischen die Tische ab. Andere bringen den Müll weg, spülen und mangeln Wäsche. Christian und Sergio sind heute für das Café zuständig. Die beiden ziehen sich weiße Schul-T-Shirts über. Extra für das Café. Dann werden die Kuchen ins Auto gepackt und was sie sonst noch brauchen.
Lehrerin Marianne Gast macht sich mit den beiden 16-Jährigen auf den Weg. Das Café Alte Werkstatt liegt ein paar Kilometer entfernt. Ein oder zwei Nachmittage im Monat bewirten Schülerinnen und Schüler des Falk-Hauses dort die Gäste. „Da kommen immer Gruppen, die das Café für sich buchen“, erklärt die Lehrerin. An diesem Nachmittag ist der Freundeskreis Tirol zu Gast.
Das Café liegt auf dem Gut „Haus Hiddenhausen“. Hausherrin Anna von Consbruch ist glücklich über die Zusammenarbeit mit dem Falk-Haus. „Wir hatten es vor fünf Jahren als Versuchsprojekt gestartet“, sagt Axel Grothe. Inzwischen ist es eine feste Kooperation. „Mein Traum wäre es, dass wir hier irgendwann Schülern des Falk-Hauses einen festen Arbeitsplatz bieten können“, meint Anna von Consbruch und nickt Christian zu.
Er und Sergio sind gerade noch beim Kaffee kochen und abspülen, als die ersten Gäste kommen. Es ist ein älteres Ehepaar. „Wir sind früh dran“, sagen sie und suchen sich einen Platz. Die Jungs versorgen die beiden mit Kaffee. Dann verschwinden die Schüler wieder. Es gibt noch einiges zu tun.
Christian stellt die Kuchen in den kleinen Kühlschrank auf der Kuchentheke. „Ich mach das voll gern hier“, sagt er. Er wuselt zwischen Küche, Theke und den gedeckten Tischen hin und her. Sergio stellt die vollen Kaffeekannen auf einen Tisch. „Ich würde heute gerne die Kuchen verteilen“, sagt er und stellt sich schon mal probeweise hin, prüft Teller und Tortenschaufeln.
Marianne Gast und Anna von Consbruch lassen die beiden machen. Sie sehen nach dem Rechten und flaxen mit den Jungs herum.
Kurz vor 15 Uhr wird es voll. Christian und Sergio sind in der Nähe des Eingangs, begrüßen, hängen Jacken auf und plaudern mit den Gästen. Nach einer kurzen Begrüßung gibt es Kaffee und Kuchen. Christian läuft mit Thermoskannen von Tisch zu Tisch und schenkt Kaffee oder Tee ein. „Ach“, schwärmt er, „das ist soooo schön. Die Leute freuen sich, wenn ich ihnen Kaffee gebe. Und wenn die sich freuen, dann freue ich mich auch.“
Sergio ist fleißig am Kuchen verteilen. „Schade“, flüstert er, „die Stachelbeer-Baiser ist schon wieder weg. Die hätte ich auch gern probiert.“ Aber die anderen dürften auch lecker sein, meint er. Hauptsache, es bleibt ein Stück für ihn übrig. Doch erst mal ist an eine Pause nicht zu denken. Immer wieder stehen die Gäste Schlange, um sich von ihm bedienen zu lassen.
Marlies Schick vom Freundeskreis Tirol hat diesen Nachmittag organisiert. „Wir kommen sehr gern hierher“, sagt sie. Sie findet das Café geschmackvoll und die Atmosphäre wunderbar. „Es ist toll, wenn man an der Tür so freundlich begrüßt wird. Vor allem finde ich gut, dass die jungen Leute hier eine Chance haben, sich auszuprobieren.“ Marlies Schick kommt mehrmals im Jahr – auch mit den „Grünen Damen“ und der Hospiz-Gruppe.
„Ich gehe gern zur Schule im Falk-Haus“
Langsam wird es ruhiger. Sergio und Christian stehen vor den restlichen Kuchenstücken und überlegen, welchen sie probieren sollen. Schulleiter Axel Grothe ist zufrieden mit seinen Schülern. „Das ist schon eine Leistung“, sagt er. Zumal die Schule schon um 15 Uhr zu Ende ist. „Die Caféleute bekommen die Stunden aber gutgeschrieben und dürfen dann mal einen Tag frei machen.“ Christian und Sergio finden das gut. „Mal frei ist auch schön, aber ich gehe gern ins Falk-Haus in die Schule“, sagt Christian. Dann widmen sich die beiden ihrem Kuchen. Auch wenn es mit der Stachelbeer-Baiser wieder nicht geklappt hat.
Gruppen können das Café Alte Werkstatt bei Anna von Consbruch buchen und unterstützen damit gleichzeitig das Johannes-Falk-Haus. Telefon: (01 72) 5 24 94 99, E-Mail: info@cafe-hiddenhausen.de. Sonntags hat das Café geöffnet von 10 bis 13 Uhr (Frühstücksbuffet) und von 14 bis 17 Uhr. Weitere Infos im Internet: www.cafe-hiddenhausen.de, www.johannes-falk-haus.de.