Angesichts der Diskussion um zunehmende Gewalt an Schulen mahnt Schulsozialarbeiterin Jutta Anton einen differenzierten Blick an. „Ich möchte das Problem auf keinen Fall kleinreden, aber ich sehe auch, dass mancher Vorfall durch soziale Medien und Menschen, die nicht direkt beteiligt waren, verdreht wird“, sagt die Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit Niedersachsen im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Problematisch sei an Schulen vor allem verbale Gewalt. Beleidigungen, Diskriminierungen und menschenverachtende Äußerungen könnten aber in körperliche Übergriffe münden.
Niedersachsens Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) hatte kürzlich in einem Interview von „einer neuen Qualität von Gewalt“ gesprochen. Die Gewalttäter würden jünger, neue Gewaltphänomene, wie Cybermobbing, und auch Gewalt gegen Lehrkräfte nähmen zu, sagte sie auch im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Antons Erfahrung nach erleben viele Kinder und Jugendliche nahezu täglich die Abwertung und Bloßstellung ihrer eigenen Person. Zwar spielten in den Schulen Toleranz, Diversität und Respekt eine zentrale Rolle. Ebenso wichtig sei es aber für die Schülerinnen und Schüler zu lernen, Konflikte ohne Grenzüberschreitungen zu lösen. „Dafür braucht es in Schulen einen professionellen Rahmen mit Zeit für Aussprachen.“
Um Gewalt vorzubeugen, sei es wichtig, auch mit den Müttern und Vätern ins Gespräch zu kommen. „Ohne die Familien an Bord hat man keine Chance.“ Problematisch sei dabei, dass sich in vielen Schulen nur wenige Eltern am Schulleben beteiligten. „Wir erreichen viele Eltern kaum mit unseren Anliegen“, sagt die Sozialpädagogin.
Die Lösung für die Probleme dürfe nicht allein den Lehrkräften zugeschoben werden, sagte Anton und warb für den Einsatz multiprofessioneller Teams. „Wir müssen eine Verantwortungsgemeinschaft bilden – mit Lehrkräften, der Schulsozialarbeit, pädagogischen Fachkräften, aber auch außerschulischen Akteuren, wie Vereinen und offener Jugendarbeit.“ Dafür werde mehr Personal benötigt. „Wir fordern seit langem eine volle Stelle für die Schulsozialarbeit pro 150 Schüler – davon sind wir in Niedersachsen leider weit entfernt.“
Verbesserungspotenzial gebe es in puncto Gewaltprävention auch in der Gestaltung der Schulhöfe. Diese seien oft trostlos, böten kaum Aufenthaltsqualität, wenig Anreize, Freizeit zu gestalten, einander zu begegnen und sich zu bewegen. Die lieblosen Außengelände seien ein Ausdruck von fehlender Wertschätzung gegenüber Kindern und Jugendlichen. „Auch das erhöht das Aggressionspotenzial“, unterstrich Anton.