„Herr Pastor, Sie müssen mir helfen. Mein Mann ist arbeitslos, wir kommen grade so über die Runden. Aber jetzt haben wir die Abrechnung von den Stadtwerken bekommen. Wir müssen 400 Euro Strom nachzahlen. Ich weiß nicht, wie wir das machen sollen!“
So beginnen Gespräche in Kirchengemeinden und an Pfarrhaustüren, die auf finanzielle Not und Sorgen aufmerksam machen. Die ökologisch notwendige Energiewende ist für viele Menschen zum Symbol geworden für steigende Preise und somit auch für steigende Armut – insbesondere in Stadtteilen, in denen es den Menschen sozial nicht gut geht.
Gemeinsam für die Gemeinschaft
„Uns liegt viel daran, Menschen zu unterstützen, die Verbesserung ihres Lebensumfelds in die eigene Hand zu nehmen. Unser Ziel ist eine sozial gerechte Quartiersentwicklung, eine nachhaltige Entwicklung vor Ort, die Menschen mitnimmt und nicht abhängt“, fasst Pfarrer Klaus Breyer, Leiter des Instituts für Kirche und Gesellschaft (IKG), die Grundidee des Projekts zusammen, das jetzt im Ruhrgebiet startet. Als Pilotkommunen machen Herne mit dem Stadtquartier Wanne-Süd sowie Bochum mit dem Quartier Hamme mit.
Benachteiligte Stadtquartiere sind gekennzeichnet durch Einkommensarmut, hohe Arbeitslosigkeit, schlechte Wohnbedingungen und eine verstärkte „Netzwerkarmut“. Viele Menschen fühlen sich auch aufgrund ihrer Armut sozial isoliert, nehmen selten Gemeinschaftsangebote wahr und leiden durch die finanzielle Armut auch an der Nichtteilhabe von gesellschaftlichen Angeboten.
Gerade dort sieht das IKG eine große Aufgabe und Chance für die Kirche. „Die Energiewende in benachteiligten Quartieren umzusetzen ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die alle Akteure vor Ort nur gemeinsam meistern können“, ist Judith Kuhn, Klimaschutzreferentin des Projektteams, überzeugt.
Die Gemeinschaft fördernde und gleichzeitig Energie und somit Kosten sparende Projekte wie zum Beispiel „urban gardening“, also die gärtnerische Nutzung kleiner städtischer Flächen, oder Energieberatung sind erste Ansätze, die umgesetzt werden sollen. In einer quartiersbezogenen Zukunftswerkstatt werden Ideen entwickelt, auf die Machbarkeit abgeklopft und dann gemeinsam mit der Politik und der Verwaltung weiter geplant.
„Es ist uns wichtig, dass wir den Menschen in ihrem Quartier auf Augenhöhe begegnen“, beschreibt Sozialreferent Axel Rolfsmeier die Grundhaltung der kirchlichen Gemeinwesenarbeit. „Wir bauen Brücken der Kommunikation – dabei bringen wir Bewohnerinnen und Bewohner untereinander ins Gespräch, helfen bei der Ideenentwicklung und bringen alle Beteiligten an einem Tisch zusammen.“
Das Institut für Kirche und Gesellschaft verspricht sich von diesem durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekt wichtige Erkenntnisse über den Kontaktaufbau zu Menschen, die sich sonst nicht für Umweltthemen interessieren.
„Wenn ich nicht weiß, wovon ich Brot und Butter kaufen soll, dann habe ich den Kopf nicht frei für Umwelt- und abstrakte Nachhaltigkeitsfragen“, beschreibt Rolfsmeier die Lebenslage der Bewohner. „Wenn die Wohnung schlecht isoliert ist, dann muss viel mehr Geld als notwendig für Heizung aufgebracht werden“, ergänzt Kuhn.
Das Wohnquartier als stabilisierender Faktor, als Ort der Beheimatung und der Begegnung im Alltag wird auch von der Politik verstärkt wahrgenommen. Die Armut der Menschen, die unterversorgt, krank und sozial isoliert sind, bedarf neben der Versorgung, die Bekämpfung der Armut auf politischer Ebene. Das ist ein wichtiger Baustein kirchlichen Handelns vor Ort. Dazu gehört im Rahmen des Projekts auch, Hauseigentümer wie auch Wohnungsbaugesellschaften am runden Tisch „Nachhaltigkeit nimmt Quartier“ zu beteiligen.IKG
• Weitere Informationen über das IKG-Projekt unter www.nachhaltigkeit-nimmt-quartier.de/ im Internet.