Die meisten Menschen sind froh, wenn die Schulzeit vorbei ist. Wer bis zu zwölf Jahre – oder mehr – in Klassenzimmern und ungeheizten Turnhallen verbringt, freut sich als junger Erwachsener auf den anderen Teil des Lebens. Umso kurioser ist die Wiederbegegnung mit diesem Teil der Kindheit, wenn man das Schulmuseum Friedrichshafen besucht.
Das städtische Museum beherbergt nach eigenen Angaben eine der größten deutschen Ausstellungen zur Geschichte der Pädagogik. Es sammelt Bestände und Dokumente zur Geschichte des Schulwesens, das auf unterhaltsame Art und Weise in einer alten Villa in der Kreisstadt am Bodensee präsentiert wird.
Es ging aus einer privaten Initiative hervor. Begeisterte Bürger sammelten in den 80er-Jahren fast alles, was ihnen beim Umbau von Schulen oder beim Ausräumen von Lehrsammlungen in die Hände fiel. Die Räume wurden damals komplett nach Friedrichshafen überführt und dort neu aufgebaut. In die alten Bänke dürfen sich die Besucher setzen. Das ist für die Kinder viele leichter als für die Erwachsenen, da die Bänke auf schlank gearbeitet sind.
Drei komplette Klassenzimmer aus verschiedenen Epochen bilden den Grundstock des heutigen Museums. Sie kommen von Dorfschulen in Oberschwaben. Ein Zimmer stammt aus dem alten Herzogtum Württemberg im 18. Jahrhundert, ein anderes aus dem Kaiserreich mit Wilhelm II. als stolzem Porträt, ein Drittes zeigt schließlich einen Klassenraum des frühen 20. Jahrhunderts.
Es gebe keine andere Einrichtung dieser Art in Deutschland, die gleich drei historische Klassenzimmer aus unterschiedlichen Bildungsepochen untergebracht hat, berichtet Museumsleiterin Friederike Lutz. 20.000 Menschen besuchen die städtische Einrichtung jährlich. Öffentlich sichtbar ist dabei nur ein kleiner Teil der Exponate. Im Depot lagern noch rund 100.000 Objekte zum Thema kindliches Lernen.
Gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden zeigt sie immer wieder neue Exponate. Eine Sonderausstellung illustriert derzeit, wie Kinder im Mittelalter gelebt haben. Welche Chancen hatten die „kleinen Erwachsenen“, wie Kinder damals angesehen wurden, in dieser Zeit? Der Raum erinnert weniger an ein Museum als an ein großzügig eingerichtetes Kinderzimmer, dessen Exponate auf Augenhöhe von Kindern liegen.
In den kommenden Jahren soll das Museum grundlegend überarbeitet und frisch eingerichtet werden. Obwohl die alte Villa immerhin drei Stockwerke für die Präsentation von Inventar bereithält, wirkt manche Wand doch überladen. So stehen im Raum mit den Lernmitteln ausgestopfte Vögel, chemische Apparate und anatomische Modelle eng beieinander.
Diese Nicht-Konzeption stamme aus der Zeit der eifrigen Amateure, die ihre Funde stolz aufreihten, ohne das genauer zu erklären, erläutert Lutz. Moderner Museumspädagogik entspreche das nicht. Sie strebt eine Schau der historischen Kindheiten an: Wie ging es Achtjährigen, als in Württemberg die ersten Schulen 1558 eingeführt wurden? Und wie erlebte ein Zwölfjähriger seine Kindheit im Kaiserreich?
Im Sommer kommen Schulklassen in das Museum. Dort sind sie nicht nur stumme Betrachter, sondern werden auch zum Basteln eingeladen. Oder sie üben alte Schriften ein wie die verschnörkelte Sütterlin, die ihre Vorfahren praktizierten. Und sie lernen ein interessantes Detail: Die Sütterlin-Schrift wurde 1941 im Nationalsozialismus von den Behörden verboten, da sie angeblich eine jüdische Schrift sei. Damals wurde die sogenannte „Deutsche Schrift“ eingeführt, die bis heute üblich ist. (2820/24.11.2023)