Wohl zum ersten Mal in der europäischen Kunst zeigte August Gaul am Anfang des 20. Jahrhunderts Tiere als fühlende Wesen – und nicht nur als mythologische Symbole. Rund 100 Skulpturen sind bald in Frankfurt zu sehen.
August Gaul (1869-1921) gilt als einer der ersten modernen Bildhauer Deutschlands. Im Zentrum seines Werks steht die Tierplastik. Rund 100 Tierskulpturen – darunter Adler, Bär, Otter, Pinguin und Orang-Utan – sind ab 13. November in der Frankfurter Liebieghaus Skulpturensammlung zu sehen. Gauls Plastiken aus Bronze, Keramik und Marmor werden konfrontiert mit Skulpturen aus drei Jahrtausenden, wie das Museum am Dienstag mitteilte.
August Gaul zeige zum ersten Mal in der europäischen Kunstgeschichte das Tier als eigenständiges Individuum, erläuterte Kurator Vinzenz Brinkmann. Eingebettet in die historische Sammlung des Liebieghauses spüre man “die Lebendigkeit der Tiere und zugleich die meisterhafte Präzision der Formen, mit der der Künstler die Natur auf moderne Weise erfasst”.
Gauls Arbeit knüpfe an damalige naturwissenschaftliche und tierpsychologische Forschungen an, etwa von Charles Darwin. Museumsdirektor Philipp Demandt betonte, Gaul erfasse mit seiner Kunst “Tiere nicht länger als Symbole von Mythologie, Christentum oder politischer Herrschaftsansprüche, sondern als existierende und fühlende Wesen”.
Neben lebensgroßen Skulpturen von Löwen und Menschenaffen richte Gaul den Blick auch auf Tiere, die zuvor in der Kunst kaum Beachtung gefunden hätten, wie etwa Esel, Gänse oder Enten. Ein besonderer Höhepunkt sei der überlebensgroße Adler im Museumsgarten, den der Künstler ursprünglich für das Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal in Berlin geschaffen hatte. Anders als bei traditionellen heroischen Darstellungen ist der Greifvogel hier im Landeanflug auf sein Nest zu sehen.
Thematisch spannt die Ausstellung “Tiere sind auch nur Menschen. Skulpturen von August Gaul” einen weiten Bogen: von der Tierverehrung im Alten Ägypten über griechische Mythologie bis zur Darstellungsweise von Tieren als christliche Bildmotive. Die Schau läuft bis zum 3. Mai.