Das Leben kehrt zurück. Blau strahlt der Himmel, die Sonne pumpt Lebensfreude in die Seele. Die Tage werden länger, das Thermometer wagt sich nach oben. Erstes Grün sprießt. Licht und Wärme formen das Wunder, das jedes Jahr aufs Neue die Herzen schneller schlagen lässt: Der Frühling kommt ins Land.
Es gehört zu den spektakulärsten Phänomenen von Gottes Schöpfung, wie der Übergang von Winter aufs Frühjahr Mensch und Natur verzaubert. Seit Jahrtausenden harrt Homo sapiens aus; lange, dunkle, kalte Wintermonate. Um sich dann umso heftiger und ausgelassener über Sonne, Licht und Wärme zu freuen.
Diese Erfahrung mag früher noch viel stärker gewesen sein. Wenn man sich vorstellt, wie ein Winter ohne Strom und Zentralheizung ausgesehen hat; Licht und Wärme lediglich von einem Feuer oder spärlichem Kerzenschein – da kommt eine Ahnung auf, was da in tausenden von Generationen während des monatelangen Aushaltens in den Herzen der Menschen geboren wurde und stärker und stärker wurde: die Sehnsucht nach Frühling.
Frühling. Neustart. Leben sprießt.
Zu diesem Neuanfang, den die Natur vorgibt, passt der Drang des Menschen aufzuräumen. Es ist wie ein Instinkt: Haus und Hof, Garten und gute Stube, Auto und Fahrrad erhalten den „Frühjahrsputz“. Räumen, aussortieren. Wischen, waschen. Reparieren.
Man kann sich ja fragen: Lohnt das? Schmutz und Unordnung kommen doch wieder. Was man gerade noch in einem Energieausbruch sortiert und poliert hat, wird bald erneut Staub ansetzen, Regale und Schränke verstopfen.
Aber: Was wäre denn, wenn die Natur dieses periodische Aufbäumen in uns gegen die Unordnung nicht vorgesehen hätte?
Der Schmutz würde siegen. Die Oberhand gewinnen. Lage um Lage. Von der Schicht zur Kruste. Bis alles in Dreck und Chaos versinkt.
Interessanterweise gibt es auch im christlichen Glauben die Vorstellung von einem Grund-Reine-machen. Schuld und Versagen des Menschen, seine Verzweiflung darüber, die Ausweglosigkeit – das ist das Ur-Chaos des Menschen, sein größter Schmutz und seine schlimmste Unordnung. Aber Gott kann sie abwaschen. Wer sich auf ihn einlässt, bekommt die Chance zum Neuanfang. Immer wieder.
Der Frühling steht vor der Tür. Warum sollte das nicht Anlass sein, dem Vorbild der Natur zu folgen – und vielleicht auch dem Ruf tief in uns drinnen: Nutze die Chance! Wage den Neuanfang!
Mag sein, da gibt es Altlasten. Sie quälen und drücken. Vielleicht auch ein Dank, den man schon lange aussprechen wollte. Eine Aussprache.
Was beschäftigt mich? Was arbeitet in mir? Was schiebe ich auf? Wo ahne ich, dass ich etwas tun sollte? Es lohnt, dem nachzuspüren. Jetzt.
Der Frühling gibt Kraft, Energie, Glückshormone (siehe Seite 12). Die Kraft zum Neuanfang ist tief in uns verankert. Jetzt ist eine gute Zeit dafür.