Marode oder längst geschlossene Bäder und eingeschränkte Öffnungszeiten durch fehlende Rettungsschwimmer – vielerorts ist das nasse Vergnügen getrübt bis unmöglich. Freizeitschwimmer bleiben auf dem Trockenen, andere lernen erst gar nicht mehr zu schwimmen.
“Es gibt zu wenig Angebote zum Schwimmenlernen“, sagt Martin Holzhause, Sprecher der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Eigentlich sollten alle Kinder in der Schule zu sicheren Schwimmern werden, doch es fehle unter anderem an qualifizierten Fachkräften. Dabei profitierten gerade junge Menschen von der Gewöhnung an das Element Wasser. Kinder erlebten im Wasser unterschiedlichste Sinneserfahrungen wie Druck, Auftrieb oder Gleichgewichtsempfinden und erweiterten so ihr Körperbewusstsein. “Die in diesem Erlebnisraum gesammelten Erfahrungen sind für die psychische und soziale Entwicklung von Kindern einzigartig.”
In den vergangenen 20 Jahren seien aber viele Bäder dauerhaft geschlossen worden. Die Folge: weniger Wasserflächen und -zeiten, für passionierte Freizeitschwimmer ebenso wie für Schönwetter-Gäste. Natürlich könne man auch in Seen oder im Meer schwimmen lernen, aber dort sei die Wassertemperatur meist niedriger und damit zum Schwimmenlernen wenig attraktiv, sagt Holzhause.
Erst ab “Bronze” ist man guter Schwimmer
Ein “Seepferdchen” macht dabei noch keinen guten Schwimmer. Sicher schwimmen kann laut DLRG-Sprecher, wer das bronzene Schwimmabzeichen erwirbt. Die Person kann dann unter anderem eine Viertelstunde ohne Halt und Pause schwimmen, kann sich unter Wasser mit geöffneten Augen orientieren und beim Schwimmen die Körperlage wechseln. Um die Schwimmfähigkeit zu fördern, seien Hallenbäder mit ganzjährig guten Bedingungen wichtig für die Schwimmausbildung durch Schulen und Vereine, sagt Holzhause.

Heiligenhaus: Schwimmabzeichentag im Heljensbad *** NUR FUeR REDAKTIONELLE ZWECKE *** EDITORIAL USE ONLY ***Detail eines Schwimmpasses auf dem Schwimmabzeichentag am Sonntag, den 21. Mai 2023, im Heljensbad in Heiligenhaus. Deutschland NRW Velbert Copyright: UwexErnst *** Heiligenhaus swimming badge day at Heljensbad FOR EDITORIAL PURPOSES ONLY EDITORIAL USE ONLY p Detail of a swimming passport at the swimming badge day on Sunday, May 21, 2023, at Heljensbad in Heiligenhaus Germany NRW Velbert Copyright UwexErnst Copyright: UwexErnst doc7qavb0pm7ybq2pzlb94 ,EDITORIAL USE ONLY
Um unter anderem marode Bäder klimagerecht instandzusetzen, hat das Bundesbauministerium 2022 das Förderprogramm “Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur” ins Leben gerufen. In den Förderjahren 2016 bis 2023 habe es eine starke Nachfrage gegeben, so eine Ministeriumssprecherin. Mit Blick auf die zur Verfügung stehenden Programmmittel in Höhe von 200 Millionen Euro konnten demnach 2023 aus den 812 eingereichten Anträgen 68 Projekte für eine Förderung ausgewählt werden. Im Bundeshaushalt 2024 seien indes keine Mittel für eine neue Förderrunde des Bundesprogramms veranschlagt worden. Und ob es danach weitere Fördermittel gebe, sei noch offen.
Jungs überschätzen sich im Wasser eher
Doch wozu überhaupt schwimmen lernen – angesichts solch widriger Rahmenbedingungen? Schließlich kommt man im Alltag auch ohne diese Fertigkeit über die Runden. Schwimmen sei “eine im Ernstfall lebensrettende Fähigkeit”, gibt der DLRG-Sprecher zu bedenken. “Wer nicht Fußball spielen kann, kann nicht Fußball spielen. Wer nicht schwimmen kann, verliert im schlimmsten Fall sein Leben.”
378 Menschen haben in deutschen Gewässern allein 2023 ihr Leben gelassen. Laut der DLRG-Ertrinkungsstatistik waren 79 Prozent der Ertrunkenen männlich. “Jugendliche und junge Männer neigen viel häufiger als ihre Altersgenossinnen dazu, sich selbst zu überschätzen sowie übermütig zu handeln. Alkohol oder andere Drogen befördern solches Verhalten zusätzlich”, erklärt Holzhause. Rund 80 Prozent der Vorfälle sind laut DLRG in nicht überwachten Binnengewässern wie Flüssen und Seen passiert.
Für das Schwimmenlernen spricht aus Sicht des DLRG-Sprechers zudem noch ein ganz anderer Faktor – die soziale Komponente. Diese ermögliche den Zugang zu wichtigen Lebensbereichen und Bewegungsräumen. “Viele verbinden Sommer und Sonne automatisch mit Strand und Meer – oder der Portion Pommes im Freibad.” Dort kämen alle sozialen Schichten zusammen, unabhängig von Herkunft oder Einkommen. “Wer nicht schwimmen kann, kann möglicherweise nicht mit den Freunden ins nasse Vergnügen. Es droht die soziale Ausgrenzung.”
Mehr Wertschätzung für die Menschen
Auch Kristine Bilkau, Autorin des Buches “Wasserzeiten”, plädiert dafür, Schwimmbäder als Orte der Erholung und des Miteinanders gerade in Krisenzeiten zu bewahren. “Traditionen und Rituale, insbesondere, wenn sie mit unserem Gemeinwohl und den für uns alle notwendigen sozialen Begegnungen zu tun haben, tragen eine Gesellschaft.” Solche Angebote aufrechtzuerhalten, ist für die passionierte Freizeitschwimmerin auch ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Menschen.
Aber zunehmend werde das Schwimmen in Zeiten von Bäderschließungen und dem Bau privater Pools zur Luxusbeschäftigung, beobachtet Bilkau. Das könne zur Ausgrenzung führen. “Wer darf schwimmen lernen und wer nicht? Wem bietet sich die Möglichkeit, ein Hallenbad zu besuchen und wem nicht? Wer kann sich die Eintrittspreise leisten und wer nicht? Mit jeder Frage wird deutlicher, wie politisch das Thema ist.”