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Schriftstellerin Tamar Noort: “Schlaf ist ein politisches Thema”

Leistungsdruck bis in die Nacht – davor warnt die Schriftstellerin Tamar Noort. In ihrem neuen Roman wird Schlaf sogar zum Akt des Widerstandes. Sie sieht darin alles andere als ein Luxusproblem.

Immer mehr Menschen leiden unter Schlaflosigkeit – und die preisgekrönte Schriftstellerin Tamar Noort sieht darin mehr als ein individuelles medizinisches Problem. “Gesellschaftliche Ungleichheiten spiegeln sich in der Verteilung von gutem Schlaf”, sagte Noort im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Beispielhaft verwies die Autorin darauf, dass Frauen laut Studien schlechter schlafen als Männer – “obwohl sie eigentlich bessere Voraussetzungen haben, weil sie sich in der Regel gesünder ernähren, weniger Übergewicht haben und weniger Alkohol trinken”. Dies habe auch damit zu tun, dass Frauen mit mehr “Mental Load” konfrontiert seien, also Alltagsbelastungen durch Familien- und Hausarbeit. “Wenn der Kopf nie zur Ruhe kommt, läuft er eben auch nachts weiter.”

Vermeintlich banale Tipps für guten Schlaf, etwa eine geräuscharme Umgebung, könnten sich ebenso nicht alle Menschen leisten. Auch werde in unsicheren Gegenden schlechter geschlafen als in sicheren. “Hinzu kommt, dass Schlafprobleme oft nicht richtig ernstgenommen werden”, kritisierte Noort. Wer davon erzähle, werde nicht nach Hause geschickt oder könne eine längere Pause machen. “Man muss trotzdem den Tag hinter sich bringen.”

Mit Tracking-Apps und Schlafhygiene-Ratgebern versuchten Menschen, auch den Schlaf zu optimieren, kritisierte die Schriftstellerin. Fragen nach der richtigen Matratze, der Anzahl der Tiefschlaf-Phasen oder der Bettzeit machten Schlaf “zu einer Leistung, die wir zu erbringen haben – möglichst mit voller Power”.

Der menschliche Schlaf störe bei der 24-7-Taktung der heutigen Welt, sagte Noort. Um dies zu ändern, gelte es, die Räume zu schaffen, die Menschen brauchten: “Das Grundbedürfnis ist, zu schlafen, wenn wir müde sind – nicht, wenn wir 16 Stunden wach waren.” Eine der Hauptfiguren ihres Romans “Der Schlaf der anderen”, der am Dienstag erscheint, macht aus dem Schlaf schließlich einen Akt der Rebellion.