„Ich… identifizierte mich mit Isaak, dies war Wirklichkeit: Vater will Ingmar den Hals durchschneiden, was soll werden, wenn der Engel zu spät auftaucht?“ Noch im Alter fühlte sich Ingmar Bergman als kindliches Opfer der repressiv-autoritären Erziehung seines Vaters, wie er in seiner Autobiographie festhielt. Er fühlte sich wie Isaak, den sein Vater, der Patriarch Abraham, beinah seinem missverstandenen Gott „geopfert“ hätte. Vor 100 Jahren, am 14. Juli 1918, wurde der Drehbuchautor, Film- und Theaterregisseur in Uppsala geboren.
Der Vater-Sohn-Komplex zieht sich durch das ganze riesige Lebenswerk von Ingmar Bergman: Kino- und Fernsehfilme, Hörspiele, Romane, Dramen, Drehbücher und Theateraufführungen. Über sie ging ein Regen von Ehrungen wie Goldene Palmen, Löwen, Bären und Oscars nieder. Vielleich eine späte Genugtuung für eine Kindheit, die materiell bestens gesichert war, aber seelisch zur Qual wurde. Das Urvertrauen zwischen dem Vater, dem strengen Hofprediger Eric Bergman in Stockholm, und seinem Sohn Ingmar ging zu Bruch – und mit dem Vater- auch das Gottesbild.
Zeitlebens Suche nach Spuren des Religiösen
Ingmar begehrte früh auf. Als Knabe im Matrosenanzug verweigerte er das Spiel mit Kriegsschiffen. Stockschläge oder Isolation in dunkler Dachkammer beantwortete er mit Flucht in die Phantasie. Zum Spielzeug wurden Filmprojektor und Puppenbühne.
Nach einem Streit mit dem Vater verließ Ingmar Bergman früh das Elternhaus. Zielstrebig suchte er den Einstieg ins Theater und die noch junge Filmbranche. Bald waren auch seine Drehbücher gefragt, in denen der Konflikt der Generationen ausgetragen wird: Schüler kämpfen gegen sadistische Lehrer, junge Paare gegen die Übergriffe einer feindlichen Umwelt. „Mein Aufruhr gegen die bürgerliche Gesellschaft – das war der Aufruhr gegen den Vater“, hat Bergman seine frühen Filme beurteilt.
In den 1950er Jahren machte sich Ingmar Bergman einen Namen als Meister der Perspektive von Frauen, die ihren Männern überlegen sind. In seinem Film „Sehnsucht der Frauen“ (1952) reizte der Experte für Lebensangst und Einsamkeit erstmals auch die Lachmuskulatur. Besonders erheiternd ist die Szene eines Ehepaars, das in einem hängen gebliebenen Fahrstuhl die Nacht verbringen muss: Situationskomik bricht verkrustete Konventionen einer erkalteten Beziehung auf.
Mit „Das Lächeln einer Sommernacht“ (1955) gelang ihm der internationale Durchbruch. Der Film folgt dem emanzipatorischen Muster dominanter Frauen: Männer mit Imponiergehabe werden entlarvt; Widersprüche lösen sich in Heiterkeit auf. Hollywood-Angebote hat Bergman stets ausgeschlagen. Nur der schwedische Fiskus hat ihn später zur zeitweisen Emigration nach Deutschland veranlassen können.
Auch wenn er die Gottesfrage für sich verneinte, hat er zeitlebens nach den Spuren des Religiösen gesucht. In seinem Film „Gefängnis“ (1949) stellen Menschen, gefangen im Hamsterrad ihrer Existenz, die Frage nach dem Sinn des Lebens. In „Das siebente Siegel“ (1957) kehrt ein Kreuzritter in seine Heimat zurück, wo die Pest wütet. Knapp umriss Bergman das Thema: „der Mensch, seine ewige Suche nach Gott und dem Tod als einziger Sicherheit“.
„Wie in einem Spiegel“ (1961) ist der Auftakt zu Bergmans berühmtester religiöser Filmreihe. Der Titel erinnert an Paulus‘ Hohelied der Liebe: Der Mensch kann nur „rätselhafte Umrisse“ wie in einem Spiegel schauen, im Jenseits aber „von Angesicht zu Angesicht“. „Licht im Winter“ (1962) zeigt den Arbeitstag eines ausgebrannten Landpfarrers mit dem beziehungsreichen Namen Tomas, der mit seiner Liebe zu den Menschen auch seinen Glauben zu Gott verloren hat. „Das Schweigen“ (1963) beendet Bergmans Trilogie. Zwei Frauen mit Kind müssen eine Bahnreise unterbrechen, als die ältere der Schwestern erkrankt. Im verlassenen Grand Hotel finden sie Unterkunft in einer Stadt, deren Sprache sie nicht verstehen. Die schauspielerische Leistung wird Bergmans Anspruch glänzend gerecht, dass ein Film „seelische Zustände vermitteln“ soll. Die Sinnleere hat der Künstler in sexueller Befriedigung ohne Liebe, Nikotin- und Alkoholsucht angedeutet. Skandal und Kassenerfolg waren riesig.
Seine Kindheit hat Bergman in „Fanny und Alexander“ (1982) zum Musterfall einer verkorksten autoritären Erziehung gemacht. Sein berühmtestes Werk aber sind die „Szenen einer Ehe“ (1973), mit denen er das Fernsehen eroberte. Bei den Filmfestspielen in Cannes wurde Bergman 1997 als „Bester Filmregisseur aller Zeiten“ geehrt. Er war in fünf Ehen verheiratet, pflegte Liaisons mit Schauspielerinnen, zeigte aber auch Verantwortung für seine neun Kinder. Ingmar Bergman starb am 30. Juli 2007 auf der schwedischen Insel Farö.