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Schauspiel-Paar Kramer und Krassnitzer über Krisen und Lebensträume

Harald Krassnitzer ist vor allem als “Tatort”-Kommissar Moritz Eisner bekannt, Ann-Kathrin Kramer spielte seit den 90er Jahren in unzähligen TV-Filmen und -Serien mit. Nun ist das Paar in einem besonderen Film zu sehen.

Das Schauspieler-Ehepaar hat schon einige Theater- und Filmprojekte gemeinsam bestritten. Im Fernsehfilm “Aus dem Leben” über einen Schlaganfall gerät die Zusammenarbeit der beiden, die mittlerweile genauso lange zusammen sind wie ihre hier gespielten Filmfiguren, besonders intensiv: Ann-Kathrin Kramer spielt Sabine, die einen Schlaganfall erleidet, Harald Krassnitzer ihren Mann Stefan, der der Situation zunächst hilflos gegenüber steht. Dass es in der Beziehung von Sabine und Stefan schon vor der Krankheit leise kriselte, erschwert die Situation. Das Drama läuft am Mittwoch um 20.15 Uhr im Ersten.

Der 64-jährige Krassnitzer und die 58-jährige Kramer sprechen im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) über Sterbehilfe, die Defizite von Männern in Sachen Care-Arbeit – und darüber, wie sie es bei einem solch emotionalen Filmprojekt schaffen, Berufliches und Privates zu trennen.

KNA: Ist “Aus dem Leben” ein Film über Krankheit – oder eher über Liebe?

Harald Krassnitzer: Ich würde sagen, es ist ein Film über das Leben. Darüber, dass das Leben auch Punkte beinhaltet, die einen plötzlich völlig aus der Bahn katapultieren können. Und dass die Liebe ein Umstand ist, der darin erwachsen kann. Aber im Wesentlichen ist es ein Film über das Lernen des Lebens.

KNA: Frau Kramer, wie haben Sie sich vorbereitet auf die Rolle der durch einen Schlaganfall plötzlich halbseitig gelähmten Sabine?

Ann-Kathrin Kramer: Natürlich habe ich versucht, mich in diese Körperlichkeit hineinzuarbeiten und vor allen Dingen das, was es seelisch bedeutet, einen Schlaganfall zu erleiden. In Form von Theorie, aber ich habe auch Menschen getroffen, die das durchgemacht haben. Für mich war sehr wesentlich, was da im Inneren passiert – wie fühlen sich Menschen, denen das passiert?

KNA: War der emotionale Aspekt der Rolle also noch herausfordernder als der körperliche?

Kramer: Beides war herausfordernd. Natürlich muss man sich sehr ernsthaft mit dieser Körperlichkeit befassen. Denn wenn das nicht stimmt, kann man den Rest so gut spielen wie man will, das funktioniert dann nicht. Wir hatten eine tolle medizinische Beratung am Set, die mich kontrolliert und immer genau geschaut hat: Bewegt sich da jetzt etwas, das sich nicht bewegen darf? Das muss man üben, damit diese Äußerlichkeiten stimmen. Aber wenn man dann spielt, ist es letztlich wie bei allen Rollen: Die Auseinandersetzung mit dem Charakter und dem, was ihm passiert.

KNA: Wie schwer wiegt die Verantwortung, einem solchen Thema und den Betroffenen gerecht zu werden – und wie geht man mit Selbstzweifeln um?

Krassnitzer: Indem man darauf achtet, dass man dem Thema und den Betroffenen gerecht wird. Dass man nicht irgendeine billige Farce daraus macht, sondern versucht, die Gefühle ernst zu nehmen – die der Patienten, aber auch der Angehörigen. Man sagt: Wenn jemand einen Schlaganfall erleidet, dann trifft es die ganze Familie. Das ist ein Impact, der auf ein ganzes soziales Umfeld wirkt. Das war für uns ein ganz wichtiger Punkt: dass alles, was da im sozialen Umfeld stattfindet, wesentlicher Teil dieser Geschichte ist.

Die Statistiken sagen, dass 80 Prozent der Frauen in so einem Fall bei ihren Männern bleiben und sie pflegen. Im umgekehrten Fall aber 80 Prozent der Männer ihre Frauen verlassen, wenn sie in diese herausfordernde Pflegesituation kommen. Daraus kann man verschiedene Dinge ablesen – in erster Linie aber, denke ich, dass Männer Care- und Pflege-Arbeit nicht gelernt haben.

KNA: Was wussten Sie bis zu diesem Filmprojekt über das Thema Schlaganfall?

Kramer: Was ich wusste, ist, dass die Zahlen steigen. Dass es mehr und mehr zur Volkskrankheit wird, und Schlaganfälle vermehrt auch jüngere Menschen treffen. Dass man daraus also auch ableiten kann, dass unsere Lebensumstände nicht die besten sind.

KNA: Also ungesunde Ernährung, zu wenig Bewegung ..?

Kramer: Ja, aber auch mentale Gründe, Überforderung.

Krassnitzer: Stress, Arbeitsdruck. Das Erstaunliche ist: Viele der Betroffenen, die wir kennengelernt haben, waren durchaus sehr fitte Menschen. Also Leute, die regelmäßig Sport betrieben haben.

Kramer: So wie die Sabine in unserem Film ja eigentlich auch die fittere von beiden ist!

Krassnitzer: Ann-Kathrin hat eine Betroffene kennengelernt, die Krankenschwester war, die einen ganz erfüllten Beruf hatte, aber eben auch sehr viel Arbeitsstress. Das sind also auch wesentliche Faktoren. Es sind nicht nur wie bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen das Rauchen, die Ernährung, die Bewegungslosigkeit, sondern tatsächlich auch Stress, mentaler Druck.

KNA: Kann man sich schützen, zum Beispiel, indem man Stress reduziert?

Kramer: Stress reduzieren ist sicher immer eine gute Sache (lacht)! Aber natürlich kann man nicht sagen, wenn ich das und das mache, dann trifft mich nicht der Schlag. So funktioniert unsere Gesundheit nicht, das hat keine Ausschließlichkeit. Trotzdem gibt es viele Dinge, die wir tun können, die für unseren Körper und Geist hilfreich sind.

Krassnitzer: Aber da kommen wir jetzt an unsere Grenzen, weil wir natürlich keine Ärzte sind.

Kramer: Und weil auch niemand schuld ist, wenn ihn der Schlag trifft. Da kann man nicht sagen: Ja, hättest du mal ein bisschen stressfreier gelebt!

KNA: Als Zuschauende meint man Ihre große private Nähe zu spüren, gerade in diesem intensiven Film. Sie sind aber natürlich Schauspieler, die wissen, wie man eine solche Nähe professionell herstellt. Ist die private Nähe für Ihre gemeinsame Arbeit relevant?

Krassnitzer: Nein, eigentlich gar nicht. Das ist etwas, was wir während des Drehs total weit weggeben. Das beginnt damit, dass wir immer getrennte Hotelzimmer haben, wenn wir gemeinsam drehen. Erstens, weil wir unterschiedliche Zeiten haben, wo wir am Set sein müssen. Zweitens, weil es ganz wichtig ist, dass man das Ganze auch unterschiedlich verarbeitet.

Am Set ist sowieso nur eine Prämisse wichtig: Wie erzählen wir eine gute Geschichte? Und da ist die Frage, ob wir jetzt ein Paar sind oder nicht, völlig irrelevant. Es wäre ziemlich fahrlässig, wenn wir das mit einfließen lassen würden. Weil wir dann ja jede Form des Versuchs, annähernd objektiv mit diesen Figuren umzugehen, einfach beiseite schieben würden. Und dann kommt so ein privater Anflug hinein, der einfach uninteressant und langweilig ist.

KNA: Ist es gelegentlich schwer, die Grenze zwischen Rolle und eigener Person zu ziehen – gerade bei einem emotional so aufwühlenden Film wie “Aus dem Leben”?

Krassnitzer: Beispielsweise die Szenen, in denen es hier um das Thema Waschen beziehungsweise gewaschen werden geht: Das hat natürlich viel mit Scham und Würde zu tun. Das alles spielt in unserer Beziehung gar keine Rolle, weil wir da ganz entspannt mit umgehen. Aber wenn man in so einer Situation ist wie Sabine und Stefan im Film, dann ist das plötzlich ein ganz entscheidender Punkt! Dem nähert man sich dann natürlich anders an.

Oder die Frage nach der Sterbehilfe, die sie ihm im Film stellt: Das ist eine Frage, die für uns keine Relevanz hatte. Erst über den Film haben wir wahrgenommen, dass wir eigentlich dieser Frage sehr nahe sind, weil das ja unsere Alterskohorte ist. Und sich natürlich die Frage stellt: Wie würden wir damit umgehen? Aber dann musst du als Schauspieler versuchen, eine objektive Antwort darauf zu finden. Also eine, die der Rolle entspricht und nicht dir selbst.

KNA: Und wie beantworten Sie die Frage nach Sterbehilfe für sich selbst?

Kramer: Natürlich wird einem durch diese Arbeit ein solches Thema viel präsenter, als es vielleicht auch vorher schon hin und wieder war. Weil man sich Gedanken darüber macht, wie man dazu steht. Aber das sind diese Gedanken, wo man am Ende nicht wirklich zu einer Lösung kommt – weil das, glaube ich, zu den Situationen gehört, die man sich nicht in der Theorie ausdenken kann. Sondern die man erst wirklich versteht, wenn man in die Situation kommt: dass jemand einen zum Beispiel um Sterbehilfe bittet, oder einen selber ein schlimmes Schicksal ereilt. Ich glaube, dass das ein Thema ist, mit dem wir uns befassen sollten: Was ist ein würdiger Tod in einer Gesellschaft, in der wir alle immer älter werden?

KNA: Sie haben für sich also bislang keine Antwort gefunden…

Kramer: Nein, das habe ich eben gemeint: Ich kann da keine Antwort in der Theorie finden. Ich denke, dass man sich wirklich damit auseinandersetzen muss, das betrifft viele ethische Fragen. Man kann viel darüber reden, und das finde ich auch wichtig und gut, aber ich erlaube mir da keine Conclusio.

Krassnitzer: Was wohl wirklich dienlich wäre: dass wir das gesetzlich so frei machen, dass Menschen diese Entscheidung treffen können, wenn es notwendig ist. Und dass es Instanzen gibt, die sie dabei begleiten, ein ganz wichtiger Punkt. Aber wie man das dann selbst handhabt, ist etwas ganz Anderes. Insofern ist die Frage für uns immer noch offen.

KNA: Die Figur der Sabine hadert damit, ihre Träume nicht ausreichend gelebt zu haben. Welche Impulse nehmen Sie mit aus diesem Projekt, gerade mit Blick auf die eigenen Lebensträume?

Kramer: Ich glaube, dass Träume eine sehr kräftige Energie sind, ein starker Antrieb sein können. Ich glaube aber auch, dass das Erfüllen eines konkreten Traums wahrscheinlich gar nicht so wesentlich ist. Bei vielen Dingen weiß man ja ohnehin selbst im Hinterkopf, dass die sich vielleicht nie einstellen werden. Das macht aber nichts! Weil ja alleine schon das Träumen den Spielraum erweitert für das, was man in seinem Leben macht. Und wenn man sich vielleicht nur ein bisschen in Richtung auf diesen Traum zu bewegt, dann ist das auch schon sehr viel.