Artikel teilen:

Russische Lyrikerin Martynova geehrt – “Land im Abgrund”

Olga Martynova hat den renommierten Peter-Huchel-Preis erhalten. Sie rief bei der Verleihung zum Widerstand gegen Unmenschlichkeit und Totalitarismus auf. Russland sei in den Abgrund gestürzt.

“Die vergangenen Jahre haben in Russland gezeigt, wie schnell Freiheit und Menschlichkeit verloren gehen. Wie ein Land in den Abgrund gestürzt wird. Jetzt muss ich beobachten, dass weltweit viele weitere Nationen ihre Füße testweise ins kalte Wasser der Menschenfeindlichkeit strecken.” Mit einem Appell für Demokratie und Freiheit hat sich die russische Poetin Olga Martynova für die Auszeichnung mit dem Peter-Huchel-Lyrik-Preis bedankt.

Sie warnte bei der Preisverleihung am Donnerstag in Staufen (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) vor den vielen kleinen Schritten gegen Schwache und Minderheiten, die den Weg zum Totalitarismus ebneten. Literatur und insbesondere Lyrik könnten helfen, sich gegen Unmenschlichkeit zur Wehr zu setzen, sagte Martynova.

Die 1990 aus der Sowjetunion nach Deutschland emigrierte Literatin erhielt die mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung für ihren Gedichtband “Such nach dem Namen des Windes”. Es ist die erste Gedichtsammlung, die sie nur auf Deutsch veröffentlich hat, zuvor schrieb sie in Russisch und Deutsch. “Die russische Poesie ist für mich unbetretbar geworden”, sagte sie im Blick auf die Unterdrückung von Kultur und Literatur in Putins Russland. Martynova wurde 1962 im sibirischen Dudinka geboren und lebt in Frankfurt.

Ihr Buch “Such nach dem Namen des Windes” setzt sich mit Trauer und Verlust auseinander, insbesondere mit der Trauer über den Tod ihres Ehemanns und künstlerischen Gegenübers Oleg Jurjew. Martynova zeige die Möglichkeiten der Poesie auf, mit Schmerz umzugehen, urteilte die Preisjury. “Selbst angesichts der Unwiederbringlichkeit sprechen die Gedichte Martynovas unsentimental, präzise und mit einer feinen Ironie und Heiterkeit.”

Der Peter-Huchel-Preis für deutschsprachige Lyrik wird seit 1984 für ein herausragendes lyrisches Werk des vergangenen Jahres verliehen. Der Preis erinnert an den Lyriker Peter Huchel (1903-1981), der in der DDR verfolgt wurde und in den 1970ern in den Westen emigrierte. Er lebte zuletzt in Staufen (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald). Stifter des Lyrikpreises sind der Südwestrundfunk und das Land Baden-Württemberg.

Zu den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern gehören unter anderem Elke Erb, Thomas Kling, Friederike Mayröcker, Dincer Gücyeter und Judith Zander. Teil der Verleihung ist auch eine Lesung der Preisträgerin des Vorjahres, am Donnerstag war dies Anja Utler.