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Ritualforscher: Jugendfeier-Boom gegen Einsamkeitsgefühle

Die Nachfrage nach säkularen Jugendfeiern steigt. Sie markieren den Übergang zum Erwachsenwerden – und werden häufig als Großevent zelebriert. Warum Rituale wie diese Jugendliche verstärkt anziehen, erklärt ein Forscher.

Jugendfeiern als Strategie gegen Einsamkeit: Rituelle Feiern an der Schwelle zum Erwachsensein dienen nach Einschätzung eines Ritualforschers der Stärkung des Zusammenhalts. “Wer eine Jugendfeier mitmacht, vor allen Dingen wenn sie in einem größeren Rahmen stattfindet, der kann sich eingepasst fühlen in diese große Gemeinschaft der gleich Denkenden und gleich Handelnden”, sagte der Heidelberger Kulturwissenschaftler Burckhard Dücker der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Jugendfeiern entwickelten sich demnach aus der so genannten Jugendweihe der DDR, die mit einem sozialistischen Bekenntnis einherging. Die Nachfrage danach steige, erklärt der Humanistische Bundesverband, der die Feiern organisiert: In diesem Jahr wollen 10.300 Mädchen und Jungen an einer solchen Feier teilnehmen. 2005 waren es 3.500 Jugendliche. Dabei ist das Ost-West-Gefälle groß: 8.300 Anmeldungen gibt es im Jahr 2025 in Berlin und Brandenburg insgesamt, nur 10 Interessenten in Baden-Württemberg.

“Eine solche Feier gibt dem Jugendlichen ein Gefühl von Sicherheit – er ist nicht einsam. Das ist ein verbreitetes Problem der Jugendlichen heutzutage”, so Ritualforscher Dücker. Gleichzeitig exponierten sich die Jugendlichen, um wahrgenommen zu werden und nicht nur bei Gleichaltrigen, sondern in aller Regel auch bei Erwachsenen Anerkennung zu finden.

Dücker bezeichnete Jugendweihen und Jugendfeiern weiter als “eine politische oder soziokulturelle Reaktion” auf die religiösen Feste. “Das heißt, im Grunde sind diese Jugendweihen und die Jugendfeiern eine Anerkennung von Firmung und Konfirmation.” Die kirchlichen Traditionen seien hier profaniert worden.

Jugendweihen wurden in den Jahrzehnten der DDR durchgeführt, “um die sogenannte sozialistische Persönlichkeit damit auszubilden und zu stabilisieren.” Bei Jugendfeiern heutzutage stehe dagegen die Selbstbestimmung der Persönlichkeit im Zentrum und “das Fest an sich” mit den Geschenken und allem drumherum. Bei Jugendfeiern, die mit hunderten von Menschen etwa im Berliner Friedrichstadtpalast stattfänden, gehe es seiner Einschätzung nach um “ein Ereignis mit Eventcharakter”, weniger um Nachdenklichkeit, so Dücker.

Weiter wies er daraufhin, dass es auch im rechtsextremistischen Milieu entsprechende Versuche gebe, Jugendlichen etwas in dieser Richtung zu bieten (“Neue Kameradschaften”).

“Jeder der ein Ritual mitmacht, ordnet sich in eine bestimmte Tradition ein, in eine bestimmte Geschichte könnte man auch sagen”, sagte der Forscher. Ob die Jugendlichen sich darüber klar seien, “dass sie die jeweilige Tradition mit ihrer Teilnahme weiterführen”, sei unklar. Grundsätzlich gebe es aber “kein Ritual, das jemand nur für sich macht, sondern man macht es in der Regel im Namen von etwas.”