Islamistische Prediger schaffen es laut NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) stärker als vor einigen Jahren, junge Menschen in labilen Lebensphasen anzusprechen. „Islamisten arbeiten mit denselben Methoden wie Rechtsextremisten, erzeugen Gemeinschaftsgefühl und schaffen so einen niedrigschwelligen Einstieg in radikale Gedankenwelten“, sagte er den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Mittwoch). Salafisten seien zudem wieder mutiger und trauten sich mit ihren missionarischen Aktivitäten wieder mehr auf die Straße.
Die „Größen der Szene“ seien nicht mehr „trocken missionarisch“, sondern inszenierten sich als Online-Influencer, erläuterte der nordrhein-westfälische Innenminister. „Aber klar ist: Das sind keine harmlosen Youtuber, das sind ideologische Brandstifter.“ Der Staat müsse mit Härte und Prävention reagieren.
Auch die Leiterin der Beratungsstelle Leben des Vereins Grüner Vogel, Claudia Dantschke, nimmt einen Zuwachs bei der salafistischen Missionierung wahr. Ihre Organisation berät nach eigenen Angaben zu Distanzierung, Deradikalisierung und Reintegration im Kontext von Jihadismus und politischem Salafismus. „Alte Akteure, die teilweise schon Jahrzehnte in der Szene sind, vernetzen sich mit jungen neuen Akteuren“, sagte sie den Funke-Zeitungen. In „Islam-Seminaren“ setzten sie auf „Angstpädagogik, Spaltung der Gesellschaft in Muslime und Nichtmuslime und sprechen gezielt junge, vulnerable Menschen an“.
Laut dem am Dienstag veröffentlichten Verfassungsschutzbericht für 2024 ging die Zahl der Anhänger des Salafismus seit 2021 leicht zurück, allerdings könnte sich eine Trendumkehr anbahnen. „Verstärkte Missionierungsarbeit in den vergangenen drei Jahren führt zu einer Verjüngung der Anhängerschaft und zu einem leichten Anstieg des Personenpotenzials auf 11.000 Anhänger (2023: 10.500)“, heißt es darin. Die in den sozialen Medien präsenten Prediger und Akteure erreichten Hunderttausende identitätssuchende junge Menschen. Laut Verfassungsschutz besprechen sie häufig Alltagsprobleme und transportierten typische Feindbilder. Wer sich über den Islam informieren wolle, lande aufgrund ihrer Reichweitenstärke schnell in der salafistischen Filterblase.
Allerdings beschreibt der Verfassungsschutz auch, dass sich Jihadismus und Salafismus „weitgehend voneinander entkoppelt haben“. „Die überwiegend jungen potenziellen Jihadisten sind von der Praxis des Jihad, das heißt der letztlich maßlosen Anwendung von Gewalt, fasziniert“, heißt es im Bericht. Das wollten sie auch in die Tat umsetzen und hielten ideologische Grundlagen für entbehrlich. „Eine realweltliche Anbindung an die salafistische Szene ist daher ebenfalls nicht mehr erforderlich und auch nur noch in seltenen Fällen festzustellen“, erklären die Verfassungsschützer. Die Radikalisierung zum Jihadismus erfolge ganz überwiegend eigeninitiativ im Internet.