Langsam fährt die Drehleiter nach oben. Melanie Thom hängt an einem Korb am oberen Ende. Sie trägt einen Helm und die rote Uniform der Rettungshundestaffel der Johanniter. Vor ihr hängt in eine blaue Tragedecke gewickelt Hund Schröder. Im Ernstfall bringen die Hundeführer ihre Tiere so an den Unfallort. Doch an diesem Tag handelt es sich nur um eine Übung. Im Sommercamp der Johanniter für behinderte Kinder und Jugendliche im mittelhessischen Karben zeigt die Rettungshundestaffel, worauf es in den Einsätzen ankommt.
Alle 18 Monate Prüfung für Hunde und Halter
Die Staffel ist seit 1989 fester Bestandteil der Johanniter-Unfallhilfe Gießen. Zurzeit gehören ihr 16 Hunde und 18 Männer und Frauen an. Die Halter sind Steuerberater, Studenten oder Techniker. Zweimal pro Woche ist Training, zwischen fünf und 15 Einsätze pro Jahr absolviere das Rettungsteam, sagt ihr Leiter Rico Merker. Meist geht es um die Suche nach vermissten Personen, etwa Senioren, die nicht mehr nach Hause zurückfinden. Auch Unfallopfer, die nach einem Crash mit ihrem Auto orientierungslos umherirren, oder suizidgefährdete Personen mussten sie bereits aufspüren.
Alle 18 Monate müssen Hunde und Halter zur Prüfung. „Nur ein geprüfter Hund darf in den Einsatz“, erklärt Merker. Seine Hündin Avena nahm bereits mit 18 Monaten an der ersten Prüfung teil. Doch die beiden fielen durch. „Sie ist nicht bei der gefundenen Person sitzengeblieben“, erinnert sich Merker und lacht. „Das wichtigste ist aber, dass der Hund so lange bei einem Verletzten bleibt und bellt, bis der Halter da ist.“ Beim zweiten Anlauf einige Monate später bestanden er und Avena die Tests.
Auf der Wiese des Sommercamps brennen vier Feuerschalen. Die Feuerwehr ist mit drei Beamten vor Ort und kann jederzeit eingreifen. Langsam geht Timo Viehmann mit Luna an den Schalen vorbei. Als nächstes muss die Hündin auf die Wippe. Mit einer Handbewegung bedeutet Viehmann ihr, dass sie loslaufen soll. In der Mitte des Holzbretts kippt die Wippe auf die andere Seite. Doch Luna bleibt stehen, läuft dann weiter. Als Belohnung gibt es ein Leckerli. „Jeder Hund frisst, kuschelt und spielt gerne“, erklärt der Hundeführer Lars Thom. „Diese Eigenschaften nutzen wir im Training.“
„Rettungshundearbeit grenzt an Leistungssport“
Viehmann hält einem anderen Hund, Dexter, ein Leckerli hin. Der Rüde nimmt es vorsichtig zwischen die Zähne, kaut und schluckt. Abwartend schaut er Viehmann an. Der Hundeführer rennt los, stoppt und legt sich flach auf den Boden. Als Dexter das Zeichen bekommt, stürmt er los. Doch auch Luna kann nicht mehr warten und rennt schnell zu ihrem Herrchen – was sie nicht soll. „Das passiert schon mal“, sagt Thom mit einem Augenzwinkern.
Gleichwohl kann jedes Tier Rettungshund werden, ist sich Merker sicher. Kondition, Ausdauer, Disziplin, Konzentration, Schnelligkeit und Durchsetzungsvermögen seien die wichtigsten Voraussetzungen. Mehr als 30 000 Quadratmeter durchsuchen die Hunde bei Einsätzen in 20 Minuten. „Rettungshundearbeit grenzt an Leistungssport“, sagt Merker. Kleineren Hunden fehle dafür oft die Ausdauer.
Rico Merker ist Beamter bei der Autobahnpolizei in Butzbach. Vor acht Jahren stieß er mit seiner Berner Sennenhundedame Avena zu dem Rettungsteam der Johanniter. Seitdem leitet er die Staffel und koordiniert Trainingszeiten und Einsätze. Für Avena ist die Zeit als Rettungshund aber bald vorbei. Mit neun Jahren sei sie zu alt, bedauert ihr Besitzer. Das muss aber nicht das Ende für ihn selbst sein. „Vielleicht fange ich mit einem zweiten Tier noch einmal mit der Ausbildung an“, sagt Merker.