Hinter der Frau langfahren, Lars“, ruft der Vater beschwörend. „Hinter der Frau!“ Lars, etwa sechs Jahre alt, konzentriert sich voll, tritt noch einmal richtig in die Pedale – und schrammt um Haaresbreite vor der Radfahrerin her, die gerade zum Abbiegen ansetzt. Die kommt gefährlich ins Wackeln – aber sie schaut dem kleinen Flitzer lächelnd nach. Er ist einfach zu süß in seinem Eifer. Und Lars, sich keiner Schuld bewusst, strampelt fröhlich weiter.
Vorn und hinten, rechts und links – was heißt das schon? In Kinderaugen sind das deutlich überschätzte Kategorien. Die Welt ist groß und weit. Wenn man sie erobern will, kommt es vor allem darauf an, nach vorn zu schauen und im Tempo nicht nachzulassen.
Wir Erwachsenen sehen das etwas anders. Wir teilen die Straßenseiten, die Welt und die Menschen auf ihr lieber ein: rechts oder links, schwarz oder weiß, progressiv, konservativ, liberal… Wahrscheinlich fällt es uns leichter, uns zurechtzufinden, wenn die Grenzen deutlich sind und die Regeln vorgegeben. Und natürlich ist es sinnvoll, sich auf Konventionen zu einigen – die Verkehrsregeln sind das beste Beispiel: Wenn jeder für sich selbst entscheiden würde, ob er rechts oder links fahren will, wäre das Chaos vorprogrammiert.
Nur: Die Welt ist kein Verkehrsübungsplatz. Nicht alles lässt sich so klar einteilen und in Regeln fassen wie der Verkehr. Dafür ist das Leben zu vielfältig und kennt zu viele Nuancen zwischen rechts und links oder schwarz und weiß. Ein bisschen mehr Unbekümmertheit, ein bisschen mehr Wagemut und ein bisschen Gottvertrauen täten uns manchmal ganz gut, wenn es darum geht, die Welt zu erobern.