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Psychologin über Surfen und Pöbeln in den Hochwassergebieten

Es gibt Leute, die sich aus der aktuellen Flutkatastrophe in Süddeutschland einen Freizeitspaß machen. Andere behindern Rettungskräfte. Wie lässt sich das erklären?

Im Umgang mit Hochwassertouristen sollte man einer Expertin zufolge nicht zu schroff sein. “Werden Schaulustige negativ als ‘Gaffer’ abgestempelt, bewirkt dies selten eine Verhaltensänderung, wenn man sich nicht angesprochen fühlt, getreu dem Motto: ‘So schlimm verhalte ich mich ja nicht'”, sagte die Eichstätter Psychologin Martina Grunenberg in einem am Freitag veröffentlichten Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Grunenberg ergänzte, entscheidend sei die Art und Weise der Kommunikation. “Direkte, klare, faktenbasierte und dennoch empathische Botschaften sind am wirksamsten. Handlungsalternativen sollten aufgezeigt werden. Auch emotionale Appelle, die die Konsequenzen des Handelns für sich selbst und andere verdeutlichen, können effektiv sein. Zudem sollte man für die systematische Selbstüberschätzung sensibilisieren. Im Idealfall geschieht dies alles präventiv.”

In den Hochwassergebieten Süddeutschlands sorgen derzeit Bilder für Empörung, die Menschen beim Surfen und Kajakfahren auf reißenden Flüssen zeigen.

Dazu sagte die Fachfrau: “Extreme Erlebnisse wie diese sind eng verknüpft mit der Suche nach Nervenkitzel. Für manche Menschen macht das Risiko einen Teil der Anziehung aus – es geht ihnen um den Adrenalinkick, der in Alltagsaktivitäten fehlt. Insbesondere Extremsportler sind bekannt dafür, die eigenen Grenzen auszutesten und sich riskanten Herausforderungen zu stellen, sodass sie von solchen seltenen Gelegenheiten stärker angesprochen werden.” Zudem überschätzten Menschen die eigenen Fähigkeiten systematisch. “Bei jungen Menschen verstärkt auch ein Gefühl der Unverwundbarkeit selbstgefährdendes Verhalten.”

Im Blick auf Menschen, die aktuell Rettungskräfte ignorieren, behindern oder sogar bepöbeln, sagte Grunenberg: “In diesen Situationen können die Motive von Neugier, Sensationslust oder Eigennutz die Verhaltensanweisungen von außen überlagern. In manchen Fällen ist auch eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber Autoritäten denkbar.” Das Pöbeln könne etwa darauf zurückgeführt werden, dass die Schaulustigen in eine Verteidigungshaltung gingen. “Sie müssen ihr kritisiertes Verhalten rechtfertigen und das geht am leichtesten, indem sie die Gegenmeinung und damit die andere Person abwerten.”