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Psychologen erklären in neuem Buch, was das Böse im Menschen antreibt

Narzissmus, Psychopathie, Rachsucht – an solche Persönlichkeitsmerkmale wagt sich ein neues Buch dreier Psychologen heran. Das Werk befasst sich mit “dem Bösen”. Was ist das und wie sollte die Gesellschaft damit umgehen?

Menschen mit bestimmten Persönlichkeitseigenschaften, die gesellschaftlich oft als “böse” bezeichnet werden, leugnen eher den Klimawandel. Sie zeigen stärkere Ablehnung gegenüber Umweltschutz sowie eine höhere Zustimmung zu extremistischen Aussagen: Zu diesem Schluss kommen drei Psychologen in ihrem neuen Buch “Dark Factor. Die Essenz des Bösen in uns”, das an diesem Mittwoch erscheint. Darin stellen Benjamin Hilbig, Morten Moshagen und Ingo Zettler sich der Frage, was “das Böse” im Menschen überhaupt ist, wie man es messen kann und wie es sich konkret in unterschiedlichen Lebensbereichen auswirkt.

Dazu ziehen die Forscher den sogenannten Dark Faktor heran, den sie als Kern unterschiedlicher Persönlichkeitsmerkmale wie Narzissmus, Psychopathie oder Rachsucht verstehen. Sie definieren ihn als “allgemeine Neigung, den eigenen Nutzen auf Kosten anderer zu maximieren, einhergehend mit Überzeugungen, die zur Rechtfertigung dienen”.

Um den D-Faktor zunächst zu messen, führten die Autoren eine Studie durch. In dieser sollten die Probanden ihre Zustimmung zu unterschiedlichen Aussagen einschätzen, etwa Sätzen wie “Mein eigenes Vergnügen ist das Einzige, was zählt” oder “Die meisten Menschen verdienen Respekt”. Der Durchschnittsmensch habe auf der Skala von 1-5 einen D-Faktor von 2,6: 90 Prozent aller Menschen lägen zwischen 1,5 und 3,75. Zudem wurde den Angaben zufolge in zahlreichen Untersuchungen gezeigt, dass Menschen mit einem höheren D-Faktor eher lügen, unfair handeln, anderen schaden oder sogar Straftaten begehen. Ein höherer D-Faktor trifft demnach mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für schädigendes Verhalten zusammen.

Dies zeigt sich den Forschern zufolge auch im täglichen Leben. Um etwa den Klimawandel erfolgreich zu bekämpfen, braucht es ihrer Ansicht nach Fairness, Vertrauen sowie Strenge, aber auch die Bereitschaft, unkooperativen Akteuren wieder zu vergeben, um sie mit ins Boot zu holen. Menschen mit einem hohen D-Faktor seien aufgrund der genannten Eigenschaften weniger bereit dazu, verhielten sich also tendenziell weniger ressourcenschonend und eher ausbeuterisch.

Zudem leugneten Menschen eher den Klimawandel, je ausgeprägter ihr D-Faktor sei. Schließlich habe dies für sie den kurzfristigen Nutzen, negative Emotionen zu vermeiden. Auch Maßnahmen zum Klimaschutz lehnten sie eher ab. Dies bedeute nicht, dass weniger umweltschonendes Verhalten automatisch Ausdruck böser Neigungen sei. Wenn aber viele Personen in einer Gesellschaft einen hohen D-Faktor hätten, könne das dazu beitragen, dass Klimaschutz weniger vorangetrieben werde. Vergleiche man den durchschnittlichen D-Faktor eines Landes mit dessen Umwelt- und Klimabilanz, so zeige sich, dass Länder mit geringem D-Faktor häufig auch eine gute Umwelt- und Klimabilanz hätten.

Auch zwischen politischen Einstellungen und dem D-Faktor gibt es den Forschern zufolge einen Zusammenhang. So teilten Menschen mit einem höheren Faktor diejenigen Überzeugungen, die auch eine wichtige Motivation für konservativere gesellschaftspolitische Einstellungen und deren autoritäre Durchsetzung seien. “Weil sie ein erhöhtes Misstrauen haben und die Welt als gefährlichen Ort wahrnehmen, treten sie dafür ein, Veränderungen durch Zwang und harte Strafen entgegenzuwirken, und befürworten allgemein autoritäre und mithin explizit antidemokratische Strukturen – insbesondere, wenn sich dies mit ihrem Nutzen deckt.”

Mit zunehmendem D-Faktor seien Menschen auch mit höherer Wahrscheinlichkeit empfänglich für extremistische Einstellungen, während Menschen mit einem niedrigeren Faktor eher zu aktivistischen und prosozialen Einstellungen neigten. Auch dies habe sich durch die Einschätzung bestimmter Aussagen gezeigt, etwa “Wenn Gewalt keine Probleme löst, dann nur, weil nicht genug davon angewendet wird”. Misstrauen und der Glaube an eine gefährliche Welt begünstigten auch eine Anfälligkeit für Populismus und Verschwörungstheorien.

Noch viele andere Aspekte des D-Faktors untersuchen und beschreiben die Psychologen in ihrem Buch. Zum Beispiel, wie als böse betrachtete Eigenschaften bei Menschen entstehen, wie sich der D-Faktor am Arbeitsplatz auswirkt oder, ob böse Menschen glücklicher oder erfolgreicher sind als andere. Am Ende stellen sie sich die Frage, wie es der Gesellschaft gelingen kann, böses Verhalten einzudämmen und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen dieses nicht belohnt wird. Nach einer langen Liste an Möglichkeiten lautet ihr Fazit: “Gemeinsam haben wir mehr als genug Hebel, um den D-Faktor und somit auch böses Verhalten einzudämmen. Wir müssen nur wollen.”