Gaming statt Gespräch: Digitale Therapie-Tools punkten vor allem bei jungen Menschen. Studien zeigen, dass sie in Krisen helfen können. Ein Experte hält virtuelle Unterstützung sogar für besser – in manchen Fällen.
Therapie-Chatbots – ihnen gehört nach Einschätzung des Psychologen Stefan Lüttke die Zukunft. “Ich behaupte, dass sie besser sein können als menschliche Therapeuten”, sagte Lüttke im Interview der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”. Dies gelte derzeit für weniger komplexe Fälle und für Menschen, die nie eine Psychotherapie besuchen würden.
Momentan ergänzten digitale Tools die therapeutische Begleitung durch einen Menschen, fügte der Wissenschaftler hinzu – meist zur Überbrückung, bis ein Therapieplatz frei sei. “Sie wären auch für die Prävention sinnvoll oder zu Beginn einer Krankheitsphase.” Er rechne damit, dass diese Angebote künftig auch komplexere Fälle übernehmen könnten. Aktuell kursierten indes auch nicht überprüfte Tools, deren klinische Wirksamkeit unklar sei.
Nachholbedarf gebe es zudem bei Programmen für Kinder, sagte Lüttke. Auch Erwachsene führten digitale Anwendungen oft nicht zu Ende. Mehr Verbindlichkeit lasse sich durch Gamification erreichen, also spielerische Elemente wie Punktevergabe und verschiedene Level. In einem Test sei eine spielerische App nicht nur stärker genutzt worden als eine einfach gestaltete, sondern auch effektiver gewesen. “Pushnachrichten, Belohnungssysteme und Chatbots werden eher genutzt.” Dies sei besonders bei jüngeren Menschen der Fall.
Fortschritte gebe es beim Einsatz von Virtual Reality, erläuterte der Experte. “Wenn Sie einen Patienten haben, der Angst hat, Bus zu fahren, können Sie sich mit ihm in der Stadt in den nächsten Bus setzen. Auf dem Land ist das schwieriger, da kommt der Bus nur einmal die Stunde. Virtual Reality gibt Flexibilität.”
Derzeit arbeite er an der Entwicklung eines Chatbots mit, der ein therapeutisches Erstgespräch führen könnte: “Das spart Zeit und hilft bei der Diagnostik”, sagte Lüttke. Aktuelles Ziel sei ein bundesweites Netzwerk, um genügend Trainingsdaten für das Projekt zu erhalten.