“Förderitis” macht nicht schlauer. Ein Experte warnt vielmehr, dass ständige Anregungen die natürliche Entwicklung eines Kindes bremsen können. Er rät Eltern dazu, mehr geschehen zu lassen.
Beim Spielen entwickelt sich das kindliche Gehirn “ganz automatisch”: Das betont der Psychotherapeut Frank Zimpel. “Nichts macht Kinder so klug wie das selbstvergessene, frei gewählte Spiel”, sagte Zimpel im Interview der “Bild am Sonntag”. Kinder spielen den Angaben zufolge bis zu sieben Stunden täglich, dazwischen brauchen sie auch Ruhepausen.
Zum Spielen müssten Eltern sie nicht besonders animieren, fügte der Psychologe hinzu. “Manche Eltern haben sich ein gefährliches ‘Virus’ eingefangen: die Förderitis. Sie fühlen sich vor allem durch Social Media unter Druck gesetzt, perfekte Kinder zu haben.” Daher versuchten sie ständig, den Nachwuchs zu fördern – und übersähen, “dass Spielen die Hirnentwicklung viel mehr bestimmt als jedes auferlegte Frühförderprogramm”.
Babys hätten mehr sogenannte neuronale Verschaltungen im Gehirn als Erwachsene, erklärte der Forscher: gewissermaßen kleine Trampelpfade, die durch eine Lernerfahrung entstehen. “Sie kommen also schon mit Potenzialen auf die Welt, die viele Lernvorgänge vorwegnehmen.” Beispielsweise könnten Babys zwischen den Lauten aller Sprachen der Welt differenzieren. “Welche sie dann ausprägen, kommt darauf an, in welchem Kulturkreis sie leben. Grundsätzlich haben sie aber die gleichen Veranlagungen für Mandarin wie für Deutsch.”
Dieses Potenzial voll ausschöpfen zu wollen, wäre jedoch keine natürliche Entwicklung: “Druck von außen löst keine positiven Gefühle bei Kindern aus”, mahnte Zimpel. Wenn man sie lasse, setzten Kinder sich jedoch spielerisch mit allem Möglichen auseinander – und dabei würden Botenstoffe wie das Glückshormon Dopamin freigesetzt. “Sie freuen sich, wenn ihnen etwas gelingt, und wiederholen dies bei der nächstbesten Gelegenheit. Üben wird so nicht zur sturen Quälerei, sondern zu einem Quell der Freude.”