Dass viele Menschen während Videokonferenzen ihr eigenes Bild betrachten, kann nach Einschätzung eines Psychologen verschiedene Ursachen haben. Möglich sei einerseits ein “gewisser narzisstischer Touch”, sagte Jochen Gebauer der “Süddeutschen Zeitung” (Montag). Menschen, die ein wenig selbstverliebt seien, gäben in Befragungen etwa an, sich selbst gern in den Spiegel zu sehen. Er sehe eine Parallele: “Ich gucke mich vielleicht nicht nur im Spiegel, sondern auch gern auf Zoom an.”
Andere Menschen betrachteten ihr Bild eher aus Unsicherheit und um zu prüfen, ob alles mit ihrer Frisur stimme oder ob sie einen “komischen Eindruck” machten. “Wenn man sehr um das eigene Image bemüht ist, kann das durchaus ein Zeichen für ein niedriges Selbstwertgefühl sein”, erklärte Gebauer. Aus dem Gefühl, gut rüberkommen zu müssen, erwachse dann der Wunsch, dies ständig zu überprüfen.
Die meisten Menschen strebten nach einer möglichst akkuraten Selbsteinschätzung, erklärte der Experte. Zugleich gebe es Personen mit einem weniger positiven Selbstbild, die es vermieden, die eigene Aufmerksamkeit auf sich selbst zu lenken. Manche schauten aus Selbstschutz weder gern in den Spiegel noch auf ihre Zoom- oder Teams-Bildchen. Auch Schauspielerinnen und Schauspieler unterschieden sich “dramatisch darin, ob sie sich ihre eigenen Filme angucken können”.
Videokonferenzen mit vielen Teilnehmenden könnten durch diese Umstände sehr fordernd sein, was den meisten kaum bewusst sei, sagte Gebauer. Auch berichteten Menschen, dass sie sich schämten, wenn sie bei der Selbstbetrachtung ertappt würden. Andere fühlten sich in Videokonferenzen wiederum sicherer, weil andere weniger von ihnen wahrnähmen als im direkten Gespräch. Dies könne dazu verleiten, dass man sich häufiger auf Social Media begegne als persönlich. “Und das sollte weder der Selbstaufwertung noch der sozialen Einbindung zuträglich sein.”