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Premiere wegen Erkrankung verschoben – Kroetz liest Brandner selbst

Am Samstagabend sollte am Münchner Residenztheater das neue Stück von Franz Xaver Kroetz uraufgeführt werden. Doch wegen Erkrankung musste die Premiere entfallen. Dafür las der Autor sein Werk selbst – ein Erlebnis.

Die Uraufführung des neuen Werks von Franz Xaver Kroetz “Gschichtn vom Brandner Kaspar” ist am Samstagabend überraschend ausgefallen. “Aufgrund von Erkrankung” findet sie nun erst am Mittwoch im Münchner Residenztheater statt, wie das Haus mitteilte. Intendant Andreas Beck hatte jedoch den Autor kurzfristig gewinnen können, am geplanten Premierenabend für die Besucherinnen und Besucher sein Volksstück in vier Akten frei nach Motiven von Franz von Kobell selbst zu lesen. Dabei nutzte der 79-Jährige für seinen Vortrag auch einige der Bühnenutensilien, um den Anwesenden einen Vorgeschmack auf die Inszenierung zu bieten.

Nach gut eineinhalb Stunden gab es großen Applaus für den Dichter. Dieser hat sich einer berühmten Mundarterzählung angenommen. Darin geht es um einen bayerischen Sturschädel, der sich nicht einmal dem leibhaftigen Tod beugen will. Kroetz konzentriert sich auf wenige Personen, vor allem auf den Brandner und seine Enkelin Josefa sowie auf Brandners Begegnung mit dem Tod in Gestalt des “Boanlkramer”. Geblieben ist auch dessen Auseinandersetzung mit seinem Vorgesetzten Petrus.

Manche Szenen las Kroetz an dem für ihn auf der Bühne aufgebauten Tisch nicht nur, sondern schlüpfte auch stimmlich in die jeweiligen Charaktere. Angesiedelt sei das Stück örtlich zwischen Schliersee und Tegernsee, so der Autor. Dazu kämen Berge, Dialekt und Glaube. Nach gut eineinhalb Stunden war Schluss. Er hoffe, dass die Anwesenden das Ganze demnächst “etwas opulenter” sehen mögen, sagte Kroetz unter großem Applaus für seine Lesung. Die Titelrolle wird dann der 82-jährige Günther Maria Halmer innehaben, Regie führt der Münchner Film-, Schauspiel- und Opernregisseur Philipp Stölzl.

Der Münchner Schriftsteller und Wissenschaftler Franz von Kobell (1803-1882) veröffentlichte 1871 eine oberbayerische Mundarterzählung über den “Brandner Kaspar”. Sie handelt von einem Schlosser und Jagdgehilfen, der dem Tod, dem “Boandlkramer” (etwas anders geschrieben als bei Kroetz), beim Kartenspiel und mit Kirschgeist ein Schnippchen schlägt. Er holt 18 Jahre mehr Lebenszeit beim Falschspielen heraus.

Der Ururgroßneffe von Kobell, Kurt Wilhelm (1923-2009), bearbeitete und inszenierte 1975 das Werk seines Vorfahren und brachte es im Münchner Residenztheater heraus. Dort lief es über Jahrzehnte bis 2001. Am Münchner Volkstheater brachte Christian Stückl 2005 eine Neufassung heraus. Die Inszenierung steht dort mittlerweile seit 20 Jahren auf dem Spielplan und ist längst zum Kult geworden.