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Präsidentenwahlen in Mexiko – Personalwechsel an der Spitze

Erstmals wird wohl eine Politikerin das mächtigste Amt in Mexiko bekleiden. Auf die Wahlsiegerin kommen allemal große Probleme zu – und tragfähige Konzepte sind noch nicht zu erkennen.

Geht es nach dem scheidenden Amtsinhaber, dann stehen in Mexiko die “saubersten und freiesten Wahlen in der Geschichte” an. Dass der linkspopulistische Präsident Andres Manuel Lopez Obrador (70) angesichts einer brutalen Gewaltwelle im Wahlkampf zu einer solchen Einschätzung kommt, ist nicht wirklich überraschend.

Angetreten waren Lopez Obrador und seine sozialdemokratische Partei Morena Movimiento Regeneracion Nacional (Bewegung Nationaler Erneuerung), um die Gewalt und Kriminalität im Land mit einer neuen Strategie zu bekämpfen. Zu Beginn seines sechsten und letzten Amtsjahres steht mit weit über 170.000 gewaltsamen Todesfällen eine neue traurige Rekordmarke. Seine von ihm noch scharf kritisierten Vorgänger Enrique Pena Nieto (157.158 Tote) und Felipe Calderon (121.613 Tote) hatten tatsächlich deutlich weniger Gewalttote zu verzeichnen.

Seit Jahren schönt Lopez Obrador seine katastrophale Bilanz. Nun wurden auch während des Wahlkampfes mehr als 70 Personen ermordet, darunter 35 Kandidatinnen bzw. Kandidaten.

“Das Sicherheitsversprechen und -konzept der Regierung von Präsident Andres Manuel Lopez Obrador ist gescheitert”, so das nüchterne Fazit der Mexiko-Expertin Katharina Louis vom kirchlichen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat. Der Präsident habe systematisch Zivilgesellschaft, unabhängige Medien und Nichtregierungsorganisationen geschwächt und damit wichtige Initiativen zugunsten der Menschen verspielt. Allerdings gebe es auch sozialpolitische Fortschritte.

Am Wahltag Sonntag (2. Juni) dürfen sich nun zwei Frauen Hoffnungen machen, erstmals das wichtigste politische Amt im Staat zu erobern. Laut Umfragen gilt der Sieg der jüdischen Morena-Politikerin Claudia Sheinbaum (61) als sicher. Interessant dürfte allerdings werden, wie deutlich der Erfolg ausfallen wird. Die ehemalige Regierungschefin von Mexiko-Stadt spielt vor allem ihren Bekanntheitsgrad durch die Tätigkeit in der riesigen Hauptstadtregion aus.

Während der Amtsinhaber das Thema Sicherheit beiseite wischt, hat die katholische Kirche sich mehr und mehr zu einer Anwältin der Opfer von Gewalt und Kriminalität positioniert. Die schiere Masse an Gewalttaten stumpft die Bevölkerung ab; kaum noch ein Fall drängt wirklich durch. Die Mexikaner haben sich an Gewalt gewöhnt.

Die Kirche hat ihrerseits einen breiten Friedensdialog angestoßen. Auf die daraus entstandene Nationale Friedensagenda hätten sich landesweit 160 Organisationen verpflichtet, berichtet Adveniat. Die christdemokratische Herausforderin und Unternehmerin Xochitl Galvez (61) versprach, bei einem Sieg große Teile dieser Agenda zu übernehmen.

Das allein wird allerdings nicht reichen, meint Adveniat-Expertin Louis. Es fehle allen Kandidatinnen und Kandidaten an tatsächlichen Konzepten. “Die deutsche Bundesregierung und die internationale Gemeinschaft müssten Druck auf die künftige Regierung ausüben, um Straflosigkeit zu beenden, die Bevölkerung effektiv zu schützen und Nichtregierungsorganisationen wieder zu stärken”.

So lange das nicht geschieht, nimmt in einigen Landesteilen die Kirche das Heft des Handels selbst in die Hand. Sie hatte von Lopez Obrador vergeblich einen Kurswechsel in der Sicherheitspolitik gefordert. Jüngst versuchten einige Kirchenvertreter, mit der organisierten Kriminalität ins Gespräch zu kommen. “Wir können uns nicht nur über die Regierung beschweren, die es nicht geschafft hat, das Land zu befrieden”, begründet Kardinal Felipe Arizmendi Esquivel die Initiative.

Da musste sogar Lopez Obrador anerkennend feststellen: “Ich sehe das als sehr gut an. Wir alle müssen zu Frieden beitragen.” Das wird künftig auch die wichtigste Aufgabe der mutmaßlich ersten Präsidentin Mexikos sein.