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Polit-Kommödie über den Einzug der Moderne in Bhutan

Eine Polit-Komödie über Menschen aus einem Dorf in Bhutan, die 2006 vor den ersten demokratischen Wahlen stehen und mit den neuen Zuständen zurechtzukommen versuchen.

Nach Jahrhunderten der absoluten Monarchie hat sich der kleine Himalaya-Staat Bhutan zu Beginn des 21. Jahrhunderts in eine parlamentarische Monarchie gewandelt. Politische Parteien und freie Wahlen nach britischem Muster wurden eingeführt.

Mit dem Systemwechsel reagierte der Monarch auf die technologischen Fortschritte und die Globalisierung. Er wollte verhindern, dass die Bevölkerung Bhutans von der weltweiten Entwicklung abgeschnitten wird. Zugleich stellte der soziale Wandel das bewährte Konzept des Bruttonationalglücks in Frage. Denn die 750.000 Bürgerinnen und Bürger streben weniger nach materiellem Wohlstand, sondern leben mehr nach einer ganzheitlichen Lebensweise. Symptomatisch dafür ist, dass das Land längst den Natur- und Umweltschutz in der Verfassung verankert hat

Der zweite lange Spielfilm des Regisseurs Pawo Choyning Dorji ist 2006 angesiedelt. In “Was will der Lama mit dem Gewehr?” ahnt der buddhistische Lama des Bergdorfes Ura, welche gravierenden Veränderungen der traditionellen Ordnung kommen werden. Kurz vor Vollmond bereitet er daher eine traditionelle Zeremonie an der Dorfstupa vor. Sie zielt darauf ab, drei gesellschaftliche “Gifte” – Hass, Konflikt und Leid – durch Mitgefühl und Frieden zu besiegen.

Doch zunächst schickt der weise Lama den jungen Mönch Tashi los, ein Gewehr für eine Zeremonie zu besorgen. Das ist nicht so einfach, weil es in dem friedlichen Land kaum Waffen gibt. Als Tashi bei einem Bauern endlich ein altes Gewehr aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) auftreibt, kommt er dem US-Waffensammler Ron in die Quere, der das wertvolle Stück unbedingt erwerben will.

Tatkräftig unterstützt wird Ron von dem geschäftstüchtigen Benji, der ihn aus der Hauptstadt in das abgelegene Dorf gefahren hat und dolmetscht. Derweil trifft die Leiterin der Wahlkommission, Yangden, in Ura ein, um die Registrierung der Wahlberechtigten zu überwachen und Probewahlen abzuhalten. Mit der Hausfrau Tshomo und anderen Helfern will sie der Bevölkerung bei der Vorbereitung helfen. “Irgendwie müssen wir es schaffen, mit dem Rest der Welt Schritt zu halten”, sagt Yangden.

Doch die Aufstellung der neuen Parteien beschert den Bhutanern ein Bündel neuartiger Probleme: Neid und Egoismus, Postengeschacher und Streitereien breiten sich aus, selbst innerhalb von Familien brechen Gräben auf. Auch Kinder bleiben von dem Parteiengezänk nicht verschont. Weil Tshomos Ehemann Choephel sich für eine wirtschaftsnahe Partei engagiert, wird ihre Tochter Yuphel in der Schule heftig drangsaliert.

Sympathisch wirkt vor allem der zärtliche und respektvolle Blick des Regisseurs auf die Figuren mit all ihren menschlichen Schwächen. Sie arrangieren sich einfallsreich und mit gesundem Menschenverstand mit den Licht- und Schattenseiten der Modernisierung ihrer Lebenswelt. Kameramann Jigme Tenzing, der schon die Bilder für den Debütfilm “Lunana – Das Glück liegt im Himalaya” (2019) eingefangen hat, fotografiert auch hier immer wieder in eleganten Bildkompositionen die Hügel und imposanten Berggipfel Bhutans.

Der Regisseur nutzt die Strukturbrüche für humorvoll-satirische, aber auch gesellschaftskritische Beobachtungen zur Demokratisierung. So hat der unbedarfte Mönch Tashi noch nie etwas von Wahlen gehört. Als Yangden ihn im Auto mitnimmt, fragt er sie: “Ist das so etwas wie die Schweinepest?” Wie schwierig es sein kann, demokratische Verhaltensweisen zu vermitteln und einzuüben, zeigt sich bei der Probewahl, bei der die Bürgerinnen und Bürger für eine fiktive rote, blaue oder gelbe Partei stimmen können. Prompt gewinnt die gelbe Partei haushoch, weil Gelb die traditionelle Farbe des Monarchen ist.

Auch die Auswirkungen der Globalisierung und des Kapitalismus, die sich ausbreiten, seit Bhutan als mutmaßlich letztes Land der Erde 1999 das Verbot von Fernsehen und Internet aufgehoben hat, werden zuweilen kritisch reflektiert. So trinkt Tashi in einer Gaststätte, in der viele Menschen im Fernsehen erstmals Wahlspots beäugen, statt des traditionellen Tees “schwarzes Wasser”, sprich eine Cola.

Da es in Bhutan kaum professionelle Schauspieler gibt, griff Pawo Choyning Dorji weitgehend auf Laiendarsteller zurück, die dem Film ein authentisches Flair verleihen. Verstärkt wird diese Anmutung durch die folkloristischen Klänge des Komponisten Frederic Alvarez, die immer wieder leise musikalische Farbtupfer zum burlesken Geschehen hinzufügen.