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Pflegebevollmächtigte: System muss “langfristig tragfähig” werden

Seit Ende Mai ist Katrin Staffler (CSU) Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung. Mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) spricht die 43-jährige Biochemikerin und Bundestagsabgeordnete aus Dachau über ihre Erwartungen an die angekündigte Pflegereform, die Unterstützung für pflegende Angehörige und ihre persönliche Verbindung zu ihrer neuen Aufgabe.

epd: Warum haben Sie sich entschieden, das Amt als Pflegebevollmächtigte zu übernehmen?

Katrin Staffler: Die Frage, wie wir Pflege künftig organisieren wollen, ist gesellschaftlich eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Und angesichts der anstehenden Aufgaben freue ich mich, hier Verantwortung übernehmen zu dürfen. Hinzu kommt, dass ich selber in meinem engsten Familienkreis auch jemanden habe, der gepflegt wird. Deswegen kenne ich die Sorgen – nicht nur organisatorisch oder finanziell. Bei allen Fragen, die in diesem Zusammenhang zu klären sind, ist immer auch eine große emotionale Komponente dabei.

Und natürlich kann man nicht allein aus persönlicher Betroffenheit heraus Politik machen. Aber zu wissen, was auf die Familien bei Pflegebedürftigkeit zukommt, schadet sicher nicht, wenn es darum geht, mit Nachdruck die Interessen dieser Familien zu vertreten. Als die Frage kam, ob ich mir dieses Amt vorstellen könnte, habe ich daher nicht lange gezögert, ganz im Gegenteil.

epd: Am 7. Juli soll die Bund-Länder-Arbeitsgruppe für die Pflegereform erstmals tagen. Warum braucht es dieses Gremium überhaupt? Es gibt ja bereits sehr viele Lösungsvorschläge.

Staffler: Wir brauchen die Kommission. Aber natürlich nicht, um erneut aufzuschreiben, wo die Probleme und die Herausforderungen liegen. Das ist alles bekannt. Stattdessen muss jetzt klar vereinbart werden, welche Themen man angeht, welche Schritte als Nächstes anstehen. Am drängendsten ist die Frage nach den Finanzen.

Ich glaube aber, dass es zu kurz gesprungen wäre, nur darüber zu sprechen, wie wir Löcher stopfen. Vielmehr müssen wir das ganze Pflegesystem so aufstellen, dass es langfristig tragfähig ist und denjenigen, die Hilfe brauchen, diese Hilfe zukommen lässt. Das ist meine klare Erwartung an die Kommission. Es geht also vor allem um strukturelle Reformen. Wir brauchen keine Lösungen, die nur für den Moment funktionieren, bei denen wir aber dann innerhalb kürzester Zeit wieder vor den gleichen Problemen stehen wie heute.

epd: Fachverbände oder Betroffenenorganisationen sind in der Arbeitsgruppe nicht vertreten – fehlt dadurch nicht der ganzheitliche Blickwinkel?

Staffler: Jetzt brauchen wir einen konkreten Handlungsplan. Und dafür brauchen wir diejenigen am Tisch, die es umsetzen müssen, finanziell und strukturell. Das sind am Ende – gerade mit Blick auf die Finanzen – der Bund und die Länder. Außerdem sind die kommunalen Spitzenverbände mit dabei, was ganz wichtig ist, weil die Kommunen diejenigen sind, die vor Ort entsprechende Strukturen schaffen müssen. Bisher haben sie dafür nicht das nötige Handwerkszeug, weil es zum Beispiel an Daten fehlt, wie sich der Pflegebedarf entwickeln wird. Deshalb ist es wichtig, den Kommunen die Möglichkeiten zu geben, dass sie auf die Anforderungen, die auf uns zukommen, gut reagieren können.

epd: Pflegebedürftige und pflegende Angehörige haben oft den Eindruck, dass sie nicht gehört werden. Wie sehen Sie da Ihre Rolle?

Staffler: In fast jeder Familie gibt es jemanden, der Pflegebedarf hat. Aber ich habe häufig das Gefühl, jeder kämpft da ein Stück weit für sich allein. Deswegen ist es ganz wichtig, den Betroffenen in der Debatte eine Stimme zu geben. Das will ich meinungsstark tun. Der Koalitionsbeschluss zu meiner Ernennung besagt klar, dass es meine Aufgabe und mein Ziel ist, den Pflegebedürftigen und ihren Familien in der politischen Diskussion eine Stimme zu geben. Und ich sehe das nicht nur qua Einsetzungsbeschluss als meine Aufgabe, sondern das ist auch wirklich mein innerer Antrieb.

epd: Was halten Sie von der Idee eines Familienpflegegelds, um pflegende Angehörige besser zu unterstützen?

Staffler: Das ist sicherlich einer der Vorschläge, über die wir sprechen müssen. Ich will der Kommission nicht vorgreifen und einer Idee Vorrang geben. Es werden jetzt sehr viele Vorschläge von unterschiedlichen Seiten in die Diskussion geworfen. Wir müssen uns mit all diesen Lösungsideen gemeinsam an den Tisch setzen und im Sinne eines Gesamtkonzepts sehen, was Sinn ergibt. Und am Schluss müssen wir es eben auch finanzieren können. Die Haushaltslage ist angespannt, das wissen wir alle, und auch in den Pflegekassen gibt es keine Spielräume.

epd: Was könnte pflegenden Angehörigen noch helfen?

Staffler: Wichtig ist beispielsweise das Thema Bürokratieabbau und Vereinfachung. Für die meisten Familien ist das System Pflege weitgehend intransparent. Sie wissen nicht, welche Möglichkeiten es gibt und wie man Hilfe und Unterstützung bekommen kann. Wer mal einen Antrag für unterschiedliche Pflegeleistungen stellen musste – und ich kann Ihnen sagen, dass ich hier bereits Erfahrungen sammeln musste – der weiß, das ist wirklich komplex. Und der ganze Prozess ist nicht nur inhaltlich schwierig, sondern auch emotional.

Wenn es uns an diesen Stellen gelingt, weniger Bürokratie und mehr Pragmatismus ins System zu bringen, dann ist für die Pflegebedürftigen und ihre Familien schon viel gewonnen. Das ist ganz klar eines meiner Ziele.

epd: Inwiefern können Arbeitgeber mehr tun, um Mitarbeitende zu unterstützen, die privat Pflegeaufgaben übernehmen?

Staffler: Genauso wie wir über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen, wenn es um Kinder geht, muss diese auch bei Pflegebedürftigkeit eine Rolle spielen. Kindererziehungszeiten sind auch gesellschaftlich selbstverständlich akzeptiert, und so sollte es auch bei Pflegeaufgaben sein. In den vergangenen Jahren ist, was das Bewusstsein für dieses Thema anbelangt, schon einiges passiert. Diese Diskussion müssen wir jetzt auch in die politische Diskussion einfließen lassen.

Am Ende ist es natürlich immer eine individuelle Frage zwischen Mitarbeiter und Arbeitgeber. Politisch haben wir zum Beispiel im Koalitionsvertrag die Flexibilisierung der Arbeitszeiten verabredet, das kann sicher helfen. Und ich erlebe in der Praxis beispielsweise, dass häufig Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern mit Pflegeaufgaben Homeoffice ermöglichen. Genau diese Art von pragmatischen Ansätzen brauchen wir. (2123/29.06.2025)