Der Petitionsausschuss des Thüringer Landtags mahnt Verwaltungen zu mehr Offenheit und Erreichbarkeit. Es bestehe der Eindruck, dass einige Behörden noch immer nicht aus dem Corona-Modus herausgekommen seien, sagte die Ausschussvorsitzende Anja Müller (Linke) bei der Vorstellung des Jahresberichts am Dienstag in Erfurt. So beschwerten sich Bürger beispielsweise über die Praxis einiger Finanzämter, in denen ohne vorherige Terminvereinbarung keine Unterlagen abgegeben werden können.
Erstmals hat der Petitionsausschuss laut Müller Gebrauch von seinem bundesweit einmaligen Recht auf Akteneinsicht gemacht. Ein Student habe sich an den Landtag gewandt, weil sein Bafög-Antrag über Monate hinweg unbearbeitet blieb. Auch nach einer Zusage des Thüringer Landesverwaltungsamtes, die Bearbeitungszeiten trotz angespannter Personalsituation zu verkürzen, habe sich keine Besserung eingestellt. „Der Ausschuss hat sich dann alle Akten zur Bafög-Vergabe zeigen lassen“, sagte Müller dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dabei habe sich gezeigt, dass bereits etwa 1.000 Studenten zu lange auf die Auszahlung des Bafögs warten mussten. Ursache sei ein Fehler mit dem Computerprogramm gewesen, habe das Nachhaken des Ausschusses ergeben.
Weitere Eingaben betrafen Regelungen, wonach bestimmte Formulare nur online erhältlich und zu bearbeiten sind. Corona habe jedoch gezeigt, dass gerade ältere Menschen mit Internetanwendungen nicht zurechtkämen, sagte Müller. Verwaltungen müssten sich wieder darauf besinnen, für die Bürgerinnen und Bürger da zu sein, forderte die Ausschussvorsitzende.
Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben von Müller 539 Petitionen eingereicht, von denen 307 abschließend bearbeitet wurden. In 33 Fällen habe den Beschwerdeführern geholfen werden können. In zwei Dritteln der Fälle sei den Petenten eine Auskunft erteilt und das Problem damit gelöst worden. Laut Müller betrafen fast 100 Eingaben die Sozialverwaltung, 62 Petitionen bemängelten Regelungen im Strafvollzug.
Immer häufiger werden nach ihren Angaben auch die öffentlichen Petitionen genutzt, die Bürgerinnen und Bürger mitzeichnen können. Auch das sei eine bundesweit einmalige Möglichkeit im Thüringer Petitionsrecht. Im vergangenen Jahr seien 32 solcher Petitionen auf den Weg gebracht worden, die von 58.500 Menschen mitgetragen wurden.
Landtagspräsidentin Birgit Pommer (Linke) beklagte bei der Entgegennahme des Berichtes ein schwindendes Vertrauen in die Politik, obwohl die Demokratie die beste Staatsform sei und bleibe. Es sei die Stärke des Petitionsrechtes, dass alle Menschen am Gestalten des Zusammenlebens teilhaben könnten. Jeder Menschen habe das Recht, Verbesserungen anzuregen und Kritik zu üben. Eine Petition sei dabei eine Möglichkeit von vielen.
Der Petitionsausschuss behandelt Bitten und Beschwerden im Zusammenhang mit dem Handeln von Behörden oder staatlichen Einrichtungen. Dieses Recht ist in Artikel 65 der Landesverfassung verbrieft. Der Petitionsausschuss gilt damit als die wichtigste Schnittstelle zwischen dem Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern.