Die Welt wandelte sich rasend schnell und die Kirche stand mitten im größten Konzil ihrer Geschichte, als die Wahl auf ihn fiel. Gedrängt hatte sich der Mailänder Kardinal Giovanni Battista Montini nicht nach dem Stuhl Petri. Rein äußerlich wirkte der feingliedrige Mann wie das Gegenbild zu seinem volkstümlichen Vorgänger Johannes XXIII. 1897 im norditalienischen Concesio geboren, hatte er die päpstliche Diplomaten-Akademie durchlaufen und 30 Jahre im vatikanischen Staatssekretariat gearbeitet. „Immer höflich, manchmal scheu“, so beschrieben ihn Zeitgenossen.
Doch als er 1954 Erzbischof in der Industriemetropole Mailand wurde, suchte der kühl wirkende Intellektuelle das Gespräch auch mit Arbeitern in Fabrikhallen und auf Baustellen, über denen bei Streiks die rote Fahne flatterte. Der neue Papst ließ keinen Zweifel daran, dass er das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) fortsetzen würde.
Am 8. Dezember 1965 schloss Paul VI. das Konzil. Die Dokumente kamen für Traditionalisten einem Erdbeben gleich – und blieben für die Progressiven weit hinter den Erwartungen zurück.
Für die einen war das Bekenntnis zur Glaubensfreiheit, die Öffnung der Liturgie für die Volkssprache, die Anerkennung anderer Religionen als Dialogpartner schierer Verrat an der Botschaft Jesu. Die anderen verübelten Paul VI. das Beharren auf dem päpstlichen Primat etwa gegenüber den vom Konzil beschlossenen Bischofssynoden. Unter den Anfeindungen beider Seiten hat Paul VI. zeitlebens gelitten.
Auch politisch setzte der erste „Reisepapst“ der Neuzeit Impulse, schon weil er die Zahl der vatikanischen Nuntiaturen verdoppelte; seine Wegestrecke reicht von Südamerika bis Fernost. Sein Friedensappell vor den Vereinten Nationen in New York 1965 galt vor dem Hintergrund des eskalierenden Vietnam-Kriegs als Meilenstein. Als erster Papst begann er Gespräche mit der Sowjetunion und dem atheistischen Ostblock, gegen die Proteste konservativer Kreise.
Historisches leistete er für die Ökumene. Die Umarmung mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras 1964 und die spätere Aufhebung des gegenseitigen Banns von 1059 leiteten eine neue Epoche der Kirchengeschichte ein.
Paul VI. suchte den Dialog mit der Welt, als die sich – zumindest im Westen – deutlicher denn je von der Kirche abwandte. Die negativen Reaktionen auf seine Enzyklika „Humanae vitae" in der er sich 1968 gegen künstliche Verhütungsmittel wandte, machten jedoch die entstandene Kluft deutlich. Als „Pillen-Paul“ verspottete man ihn in Deutschland. Dass er im Vorjahr in seiner Sozialenzyklika „Populorum progressio“ (1967) energisch für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung eintrat, ging dagegen fast unter.
Das schwierige Pontifikat forderte Tribut. Pauls VI. Kräfte ließen in den 70er Jahren sichtlich nach und verließen ihn am 6. August 1978 ganz.
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