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Paderborner Kirchenkritiker Drewermann wird 85 Jahre alt

Tiefenpsychologische Bibelauslegung: Der Kirchenkritiker Eugen Drewermann wird 85 – und bleibt streitbar. Aber es gibt auch versöhnliche Signale.

Eugen Drewermann, Ex-Priester, Kirchenkritiker und Psychotherapeut, wird am Freitag 85 Jahre alt. Der in Bergkamen geborene Bergmannssohn zählte über Jahre zu den umstrittensten Theologen in der katholischen Kirche. 2005, zu seinem 65. Geburtstag, trat er aus der Kirche aus. Zuvor war er Anfang der 90er Jahre vom Priesteramt suspendiert und ihm die Lehrerlaubnis entzogen worden.

In Vorträgen und in seinen Büchern legt der Auflagen-Millionär die Bibel vor allem tiefenpsychologisch aus. Er schrieb auch einen Roman über den als Ketzer verbrannten Giordano Bruno, populäre Märchen-Interpretationen und Werke im Grenzgebiet von Naturwissenschaften und Theologie.

In jüngerer Zeit kritisierte Drewermann, dass pazifistische Forderungen als nicht mehr legitim erachtet würden: “Wer dafür plädiert, in der Ukraine miteinander zu reden, wird in allen Medien als Putin-Versteher und Rechtfertiger des Aggressionskrieges verschrien.” Die USA und die Nato hätten ebenso große Schuld am Krieg, weil sie Sicherheitsinteressen Russlands missachtet hätten.

Drewermann studierte katholische Theologie in Paderborn, Philosophie in Münster und Psychoanalyse in Göttingen. 1966 empfing er die Priesterweihe. Von 1979 bis 1991 lehrte er als Privatdozent an der Theologischen Fakultät Paderborn.

Der Konflikt zwischen ihm und der Kirche schwelte schon seit den 1980er Jahren. Nach Ansicht der Bischöfe leugnete der Theologe zentrale Wahrheiten des christlichen Glaubens, etwa die Jungfrauengeburt.

Drewermann seinerseits wirft der Kirche vor, in dogmatischen Formeln erstarrt zu sein. Den Gläubigen schreibe sie eine lebensfremde Moral vor. Heftige Debatten löste Drewermann auch mit seinem 1989 erschienenen Buch “Kleriker” aus, in dem er “ekklesiogene Neurosen” des Priester- und Mönchsstandes ausmachte. 1991 entzog der Paderborner Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt ihm die Lehrerlaubnis. 1992 folgte ein Predigtverbot. Wenig später wurde er vom Priesteramt suspendiert.

Zuletzt gab es einige versöhnliche Signale: 2019 lud die Theologische Fakultät in Paderborn Drewermann zu einem Vortrag an seine frühere Wirkungsstätte ein. 2018 bezeichnete ihn der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer als “von der Kirche verkannten Propheten”. Und der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer sagte 2021 bei einer Akademie-Veranstaltung an die Adresse von Drewermann: “Ihre Art, sich mit biblischen Texten auseinanderzusetzen und zu fragen, was Jesus für uns Menschen ganz konkret bedeutet, war für viele Menschen und auch für mich eine große Bereicherung auf dem Weg der eigenen Glaubensentwicklung.”