Ein Leben ohne Smartphone und Soziale Netzwerke können sich viele Jugendliche und junge Erwachsene nicht mehr vorstellen. Doch wo endet ein normales Nutzungsverhalten und wo beginnen Abhängigkeit und Sucht? Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt einige Kriterien, die Medienwissenschaftler und Mediziner am Dienstag in einem Expertengespräch aufgezeigt haben.
Soziale Netzwerke können viele positive, aber auch negative Auswirkungen auf das Leben junger Nutzer haben. Als positive Folgen nennen Medienwissenschaftler und Mediziner das Gefühl von Gemeinschaft in Communities, Unterhaltung oder Ermutigung zu gesellschaftlichem und politischem Engagement oder zu sportlichen Aktivitäten. Als negative Folgen werden sozialer Druck, etwa durch unrealistische Körperbilder, die Angst, etwas zu verpassen, Cybermobbing, Flucht vor dem Alltag und seinen Anforderungen oder auch Schlafdefizite genannt.
Soziale Netzwerke sind teilweise so gestaltet, dass Nutzer möglichst lange in ihnen verweilen. Dazu gehören Designelemente wie Like-Buttons, Lesebestätigungen, sogenanntes “endless scrolling” und vieles mehr. Das verstärkt das Bedürfnis, auf der Plattform zu sein.
Jugendliche befinden sich noch in der Phase der Hirnreifung. Daher sind die Selbstregulationsfähigkeiten bei jüngeren Menschen noch nicht so gut ausgebildet. Liegt also das Smartphone neben der Arbeit oder den Hausaufgaben, so greifen Jüngere eher danach.
Studien bestätigen, dass Soziale Medien und Netzwerke durchaus starke Auswirkungen auf Wohlbefinden, Gesundheit und Lebenszufriedenheit haben können. Allerdings hängt das sehr von der jeweiligen Persönlichkeit des Nutzers ab. Viele merken das selber: Sie verbringen mehr Zeit im Internet, als sie eigentlich wollen oder es ihnen gut tun würde. 72 Prozent der Jugendlichen finden laut JIM-Studie 2023, dass es oft vorkommt, dass sie mehr Zeit am Handy verbringen als geplant. 53 Prozent sagen, dass sie es genießen, Zeit ohne Handy und Internet zu verbringen. 44 Prozent fühlen sich von den vielen Nachrichten auf dem Handy genervt.
Das internationale Diagnosesystem der WHO kennt bis jetzt nur die Computer- und Glücksspielstörung. Mit neuen Diagnosen ist man zu Recht vorsichtig. In der Vergangenheit wurden einige diskutiert und wieder verworfen – etwa die “Sucht”, Bücher zu lesen. In Deutschland gehen Schätzungen bei Jugendlichen von einer Häufigkeit von 3,5 Prozent für die Computerspielstörung aus, von 2,6 Prozent für eine Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung und von 0,5 Prozent für eine Kombination der beiden.
Von einer Sucht spricht man, wenn drei Kriterien über einen längeren Zeitraum, in der Regel zwölf Monate, erreicht sind: Ich muss fragen, ob ich die Nutzung noch unter Kontrolle habe? Ist die Nutzung für mich wichtiger als andere Lebensbereiche oder als echte soziale Kontakte? Und drittens: Nutze ich das Handy oder das Computerspiel, obwohl es daraus negative Konsequenzen gibt, etwa für meinen schulischen Erfolg oder meine Ausbildung.
Das kann im Einzelfall sehr unterschiedlich sein. Die Motivation für die Nutzung spielt eine Rolle. Ist es Ablenkung? Etwa wenn der oder die Betroffene einsam oder mit den Hausaufgaben überfordert ist. Versucht der Betroffene, den Anforderungen des Alltags – den Hausaufgaben beispielsweise – zu entfliehen Ob jemand gefährdet ist, hängt von seiner Persönlichkeit ab. Eine bestehende Depression, eine Angststörung oder Entwicklungsstörungen können durch die Nutzung Sozialer Netzwerke verstärkt werden. Auch wer wenig Selbstwertgefühl hat oder zu ständigen Vergleichen mit anderen neigt, kann diese Eigenarten in Sozialen Netzwerken verstärken.
Moralpredigten und Anklagen sind der falsche Weg. Wichtig ist, dass sie mit ihrem Kind im Gespräch bleiben und sich als Partner fühlen. Außerdem sollten sie auch immer eine Vorbildfunktion wahrnehmen. Auch Gelassenheit ist gefragt: Es gehört zum Erwachsenwerden, dass Jugendliche bisweilen exzessive Phasen durchleben – etwa beim Sport, beim Bücher-Lesen oder anderen Hobbys. In den allermeisten Fällen wachse sich ein solches Verhalten nach einiger Zeit aus, sagen Wissenschaftler. Sie wollen sich deshalb auch nicht auf zeitliche Obergrenzen festlegen lassen.
Kinder und Jugendliche unter 13 Jahren sollten möglichst wenig Zeit am Bildschirm verbringen. Zum einen, weil es sie inhaltlich überfordern kann. Aber zum anderen auch, weil kleine Kinder sich motorisch, sprachlich, sozial und emotional entwickeln sollen. Am Bildschirm funktioniert das nicht.