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Offen und theologisch verantwortbar

Neue Bestattungsformen sind Herausforderung für die Kirchen

TÜBINGEN – Die neuen Bestattungsformen sind eine Herausforderung für die Kirchen: Wünschten sich 1998 noch 87 Prozent der Deutschen die Beisetzung in einem üblichen Erd- oder Urnengrab, so war das im Jahr 2007 nur noch bei 51 Prozent der Befragten der Fall, sagte der Theologieprofessor Gerald Kretzschmar in Tübingen unter Berufung auf eine Umfrage des Bestattungsportals aeternitas. Die Kirche stehe zunehmend vor der Aufgabe, sich mit den neuen Bestattungsformen auseinanderzusetzen. Seit Jahren steigt die Zahl naturnaher Beerdigungen in Friedwäldern und Ruheforsten. Auch anonyme Bestattungen ohne Grabstein, also ohne Namen und Lebensdaten, nehmen zu.
Über 90 Prozent der evangelischen Kirchenmitglieder wünschten sich eine kirchliche Bestattung, sagte der Theologe. Unter ihnen befänden sich immer mehr Menschen, die sich für eine neuartige Bestattungsform entschieden. Die Kirche sollte dieser Entwicklung offen begegnen und zugleich prüfen, „welche Formen sie im Todesfall theologisch verantwortet anbieten kann und welche nicht“. Eine evangelische Bestattungspraxis müsse fünf Aspekte beachten: Dazu zählen laut Kretzschmar Gottes Mitgehen mit dem verstorbenen Menschen, die Thematisierung der verborgenen Seiten Gottes, die Offenlegung von Licht- und Schattenseiten im Leben des Verstorbenen sowie die Erinnerung an den verstorbenen Menschen als einer ganz konkreten Person.
Bestattungszeremonien sollten so gestaltet werden, dass die Trauergemeinde von einem Ort zu einem anderen Ort geht. Dadurch werde symbolisiert, dass die Zeremonie Teil eines Weges sei, den Gott mit dem verstorbenen Menschen gehe.
So werde das Grab weniger als endgültiger Schlusspunkt erfahren, sondern als Übergang zu einem neuen Leben. Auch die Frage nach den dunklen Seiten Gottes solle gestellt werden. Jeder Versuch, das Leid und Elend angesichts eines Todesfalles plausibilisieren oder erklären zu wollen, verbiete sich. epd