Artikel teilen:

Nikolausig bewegt

Auf einem von Rentieren gezogenen Schlitten vom Himmel herabkommend haben wir Kinder ihn nie gesehen. Auch durch unseren Schornstein gerutscht, wie gelegentlich erzählt wird, kam der Nikolaus bei uns nie. Wäre wohl ohnehin zu eng gewesen. Und wieso sollte er sich das auch antun? Hatten wir doch unsere Stiefel am Vorabend des 6. Dezember eigens draußen vor die Wohnungstür gestellt, damit er mühelos seine Geschenke für uns aus dem mitgeschleppten großen Sack da reinstecken konnte.

Wann das jeweils geschah, bekamen wir nie mit. Aber dass der gutmütige Gabenbringer da gewesen sein musste, daran ließ am Morgen des Nikolaustages unser stets prall gefülltes Schuhwerk keinen Zweifel.
Wie er aussieht, war uns dennoch vertraut. Denn alljährlich erschien er in vollem Ornat, mit vollem weißen Rauschebart und vollem Sack über der Schulter leibhaftig im Kindergarten und später dann im Turn- und Schwimmverein.

So sehnsüchtig der freigebige Geselle erwartet wurde, hatte sein Auftreten doch auch immer etwas Ehrfurchtgebietendes. Denn in einem dickleibigen Goldenen Buch, das er bei sich trug, stand geschrieben nicht nur, was ein Kind in den zurückliegenden Monaten Gutes getan, sondern auch, was es angestellt hatte. Der Mann wusste einfach alles. Am Ende aber gab‘s immer eine Nikolaustüte.
Großherzigkeit, Nachsicht, Güte verkörpert dieser wohl volkstümlichste Geselle der Vorweihnachtszeit. Und mit jeder Nikolaustüte, die ein Kind zurück in seine Familie trägt, haben sie im übertragenen Sinn alle Anteil an diesen Tugenden. Auf dass sie so nikolausig bewegt fortan unterwegs sein mögen – nicht nur in diesen Tagen.