Johannes Hartl ist bekannt als Leiter des Augsburger Gebetshauses und als Organisator christlicher Großveranstaltungen. Nun hat er ein neues Buch veröffentlicht. Darin steht Gescheites ebenso wie Glückskekshaftes.
Tiefstapeln ist seine Sache nicht. Der katholische Theologe Johannes Hartl aus Augsburg hat ein neues Buch geschrieben. “Die Kraft eines fokussierten Lebens” heißt es und beginnt mit einem großen Satz: “Dieses Buch kann Dein Leben verändern.” Tatsächlich?
Hartl will vermitteln, wie “wir uns fokussieren können auf das, was wirklich zählt in unserem Leben”. Viele Menschen gelinge das nicht mehr. Technik lenke ab, dazu kämen Trägheit und Überforderung. Als Gegenrezept heißt es schon in der Einleitung: “Kleine, fokussierte Schritte haben langfristig immense Auswirkungen auf Dein Leben.”
Ebenfalls zu Beginn gibt es auch eine Entwarnung: “Dir noch mehr Stress zu machen, ist das Letzte, was dieses Buch will.” Und weiter: “Besonders, wenn Du mit ADHS, einer Sucht, einer schweren Krankheit oder Problemen im Bereich der mentalen Gesundheit zu tun hast, kann es sein, dass selbst ganz kleine Schritte für Dich extrem anstrengend sind. Dann zolle ich Dir umso mehr Respekt, dass Du dieses Buch überhaupt liest!” Doch bei allem Verständnis für etwaige Hindernisse: “Im Grunde möchte jeder von uns ein Leben führen, auf das man im Rückblick stolz sein kann”, behauptet Hartl. Dafür brauche es Fokus.
Doch wie bekommt man den? Viele von Hartls Ratschlägen dürften einem altbekannt, ja banal vorkommen: Auszeiten fürs Smartphone festlegen, die Arbeit mit dem beginnen, worauf man am wenigsten Lust hat. Anderes erscheint interessant, weil’s so noch nicht in jedem zweiten Lebenshilfe-Artikel stand: zum Beispiel die Idee, statt normaler Musik mal auf “white noise” zu setzen. Auf Plattformen wie Spotify und Youtube fänden sich unter diesem Titel beruhigende Klänge, die weniger ablenkten als übliche Beschallung.
Seine Tipps gibt der 46-jährige Hartl in Duzform. Ansichtssache, ob das ansprechend wirkt oder onkelig. Ansonsten schreibt er flott und verständlich, vermutlich auch dank seiner Internet-Expertise. Über die digitalen Medien erreicht der Theologe weit über Hunderttausend Menschen, allein bei Instagram hat er 112.000 Follower. Auf Social Media sind Teaser, Cliffhanger und Zuspitzungen allgegenwärtig. Auch im Buch bedient sich Hartl dieser Techniken. Es liest sich daher weithin spannend und pointiert.
Gut gemacht ist auch der Einsatz steter, aber unaufdringlicher Wiederholungen von Bildern und Beispielen, die sich wie ein roter Faden durch den Ratgeber ziehen. Sie lassen einen am Ball bleiben. Was mehr ist als handwerkliche Finesse, nämlich auch Inhaltsspiegel. Denn: “Nur Wiederholung führt zur Meisterschaft.” Damit meint Hartl Gewohnheiten, die man sich fürs Fokussieren antrainieren solle. Unter anderem dazu bietet das Buch diverse Übungen. Es geht etwa darum, sich Tugenden anzueignen; außerdem darum, herauszufinden, was einem Kraft raubt; wie sich fehlende Proaktivität erkennen lässt; welche Situationen einen Dinge tun lassen, die man gar nicht tun will.
Hartl zieht also immer wieder eine Negativfolie des Ist-Zustandes auf. Doch ist die Gegenwart wirklich so überwindenswert? Im Selbsttest zum Aufspüren des “Feindes ‘Fehlende Proaktivität'” kann man beispielsweise ankreuzen: “An manchen Tagen habe ich einfach gar keinen Bock und lasse mich gehen.” Wer sollte daran keinen Haken machen können? Geht davon die Welt unter? Und apropos “Feind”: So betitelt Hartl Hürden beim Fokussieren. Muss man das so martialisch formulieren? In einer Welt, die arg am Freund-Feind-Denken krankt? Als wohnten einem geradezu Dämonen inne?
Explizit religiös wird Hartl an anderer Stelle. Der Theologe leitet das jüngst erst ausgebaute Augsburger Gebetshaus, in dem rund um die Uhr gebetet wird, veranstaltet regelmäßig christliche Festivals mit Tausenden Besuchern – und sieht Jesus auf seiner Seite. Dieser sage in seiner Bergpredigt sinngemäß: “Worauf Dein Fokus gerichtet ist, wird Dein ganzes Leben (sogar Deinen Körper) prägen.” Immer wieder verweist Hartl auf die Bibel. Ferner warnt er Gläubige: “Wer für alles auf ein Zeichen des Universums oder eine klare göttliche Wegweisung wartet, läuft Gefahr, das nicht zu tun, was durchaus in der eigenen Macht steht.”
Sätze wie diese stehen auf beinahe jeder Seite – Sätze, denen viele Leute problemlos zustimmen können dürften. Sätze von mitunter glückskekshafter Ewigkeitsgültigkeit: “Wenn Du Dein Leben nicht planst, planen es andere für Dich.” Sätze also von mitunter diskutabler Originalität, die dadurch freilich nicht falsch werden. Ob sich dank solcher Tipps nun tatsächlich das Leben verändern lässt? Das muss jeder selbst ausprobieren.