Der neue Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV), Oliver Blatt, blickt mit Sorge auf die Finanzlage von Kranken- und Pflegekassen. Dass der Bund den Krankenkassen mit milliardenschweren Darlehen unter die Arme greifen will, sei „Augenwischerei“, sagte Blatt der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Dienstag). Er hält einen weiteren Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitrags noch in diesem Jahr für möglich.
Blatt ist seit Dienstag GKV-Vorstandschef. Der Volkswirt folgt auf Doris Pfeiffer, die den Verband seit dessen Gründung im Jahr 2007 geführt hatte. Blatt war zuvor Stellvertreter des Vorstandes des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) und Leiter der Abteilung Gesundheit beim vdek.
Zur finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenkassen verwies Blatt auf schnell steigende Ausgaben. Wenn diese so hoch blieben, „dann steigen die Zusatzbeiträge zum Jahreswechsel erstmals auf drei Prozent“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Seit dem Jahreswechsel liegt der durchschnittliche Zusatzbeitrag, der vom Bundesgesundheitsministerium festgelegt wird, bei 2,5 Prozent, bei manchen Kassen ist er aber bereits höher. Im Jahresverlauf hätten acht Kassen ihre Zusatzbeiträge erneut erhöht, sechs weitere hätten das beantragt, sagte Blatt.
Zur Stabilisierung der Finanzen hatte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) vergangene Woche Darlehen für Kranken- und Pflegeversicherung in Aussicht gestellt. Der Haushaltsentwurf für 2025 sieht vor, dass für die Krankenversicherungen dieses und nächstes Jahr jeweils 2,3 Milliarden Euro fließen, für die Pflegeversicherung sind es dieses Jahr 500 Millionen und nächstes Jahr 1,5 Milliarden Euro. Um weitere Beitragserhöhungen zu verhindern, reiche das Geld aber „nie und nimmer aus“, sagte Blatt. „Die Darlehen sind politische Augenwischerei.“
Zur Pflegeversicherung sagte Blatt dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin, diese stehe „in finanziell sehr angespannten Zeiten“. Er wies auf das Defizit der Pflegeversicherung von 1,54 Milliarden Euro im vergangenen Jahr hin. „Es wird daher höchste Zeit, dass die Bundesregierung kurzfristig für eine finanzielle Atempause sorgt, indem sie die Pandemie-Kosten von 5,2 Milliarden Euro an die Pflegeversicherung zurückzahlt“, verlangte Blatt. „Die Pflege darf nicht noch tiefer in die roten Zahlen rutschen.“
In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ kritierte Blatt zudem, dass die Bundesländer ihren gesetzlichen Zahlungspflichten für die Investitionskosten in der Pflege nicht nachkämen. Wenn sich die Länder an geltendes Recht hielten, müsste jeder vollstationär Pflegebedürftige 500 Euro im Monat weniger bezahlen, rechnete er vor. „Aber da machen sich die Länder genauso einen schlanken Fuß wie bei den Investitionskosten der Kliniken, die daher aus GKV-Beiträgen subventioniert werden müssen.“