Erneut gibt es eine Anzeige gegen Kardinal Woelki als Leiter des Erzbistums Köln. Dieses soll in einem Schmerzensgeldprozess Dokumente zurückgehalten haben. Wie verhält sich das Erzbistum zu dem neuerlichen Vorwurf?
Die Anwälte einer Missbrauchsbetroffenen und ein prominenter Betroffenenvertreter haben Kardinal Rainer Maria Woelki als Leiter des Erzbistums Köln wegen des Verdachts auf versuchten Prozessbetrug angezeigt. Im Schmerzensgeldprozess von Melanie F. gegen das Erzbistum habe dieses dem Gericht – entgegen seiner Verpflichtung – wichtige Dokumente vorenthalten, heißt es in einer Strafanzeige, die der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt.
Das Erzbistum erklärte auf KNA-Anfrage, es könne den Vertuschungsvorwurf nicht nachvollziehen. Den Anwälten liege im Gerichtsverfahren die Personalakte vor. Überdies sei dem Erzbistum die Strafanzeige bisher nicht bekannt. Auch die Staatsanwaltschaft teilte mit, sie habe die Anzeige bislang nicht erfasst.
Die Betroffene war von ihrem Pflegevater, einem Priester, über Jahre sexuell missbraucht worden und fordert ein Schmerzensgeld von 850.000 Euro. Das Erzbistum lehnt eine Amtshaftung ab, weil der Missbrauch des 2022 zu zwölf Jahren Haft verurteilten Geistlichen U. im privaten und nicht im dienstlichen Bereich stattgefunden habe. Das Gericht hatte im bisherigen Lauf des Verfahrens deutlich gemacht, dass es dieser Argumentation zuneigt. Für den 1. Juli ist ein Urteil angekündigt.
Die Anzeigenerstatter, zu denen auch Matthias Katsch von der Betroffeneninitiative Eckiger Tisch gehört, werfen dem Erzbistum vor, Dokumente aus der Personalakte von U. vorenthalten zu haben. Insbesondere ein Schreiben aus dem Jahr 1980 des damaligen Leiters des Priesterseminars an U. lege nahe, dass der Geistliche beim Missbrauch auch in Ausübung seines Klerikerstandes agiert habe.
In dem Brief geht es um die in der Bistumsspitze diskutierte Frage, ob U. das Sorgerecht für Melanie F. und einen Pflegebruder übernehmen darf. Der Seminarleiter teilte U. mit, “dass Sie sich in Ihrer Tätigkeit als Kaplan” eine ungewöhnliche Last aufbürden. In der Formulierung “in Ihrer Tätigkeit” sehen die Anwälte einen Hinweis darauf, dass der Seminarleiter die Pflegschaft als Teil der seelsorgerischen Tätigkeit von U. verstanden habe. Sonst hätte die Formulierung “neben seiner Tätigkeit” nahe gelegen.
Flankierend führen die Anwälte aus der Personalakte ein Schreiben von U. an die damalige Bistumsspitze um Kardinal Joseph Höffner sowie ein Zeitungsinterview aus dem Jahr 1985 an. Darin spricht U. davon, dass es ihm um eine geistige Beratung und Führung der Kinder gehe und dass er auch Ansprechpartner für religiöse Fragen sei. Dies zeigt aus Sicht der Anwälte, wie sehr sich die Sphären von Amt und Privatem überschnitten hätten.
Nicht vorgelegt worden habe das Erzbistum auch ein Schreiben Höffners, in dem er starke Bedenken gegen die Übernahme des Sorgerechts geäußert und diese als erschwerend für die Seelsorge betracht habe. “Nicht offenkundig ist, ob damit die Seelsorge der Kinder gemeint ist oder ganz allgemein die Seelsorge”, heißt es in der Anzeige. Der Kontext des Briefes laufe aber darauf hinaus, dass die Seelsorge in Bezug auf die Kinder gemeint sei.
Die Anzeigenerstatter sehen auch darin einen eine Amtshaftung auslösenden Umstand, dass Höffner die Aufnahme der Kinder ins Pfarrhaus und die Übernahme des Sorgerechts nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern erst nach einem aufwendigen Prüfverfahren genehmigt habe. Damit habe der Erzbischof die Klerikerpflichten von U. unmissverständlich und rechtssicher konkretisiert.