Die Regierung in Bogota steht unter Druck: Linke Guerillabanden torpedieren mit Anschlägen die Friedensbemühungen von Präsident Gustavo Petro. Dessen Umfragewerte sind im Keller. Es droht der Rückfall in den Terror.
Als Gustavo Petro am 7. August 2022 bei seiner Antrittsrede in Bogota sein Konzept vom “Paz total”, dem totalen Frieden umriss, waren die Hoffnungen im Land wie im Rest der Welt groß. Der erste Linkspolitiker im Präsidentenamt wollte auf dem Verhandlungsweg das immer noch von politischer Gewalt erschütterte südamerikanische Land endlich in ruhigere Bahnen lenken.
Etliche gebrochene Waffenstillstände und Versprechen später ist von der Euphorie wenig geblieben. Petros Umfragewerte sind wegen zahlreicher innenpolitischer Skandale, aber auch handwerklicher Fehler im Keller. Vor Wochen gingen Hunderttausende gegen die Regierung auf die Straße.
Nun steht auch der Markenkern der Präsidentschaft Petro auf dem Spiel. Denn es sind ausgerechnet die linken Guerillabanden, die den Ex-Guerillero Petro in arge Bedrängnis bringen. Sowohl die sogenannten FARC-Dissidenten, eine Abspaltung der 2016 befriedeten marxistischen FARC-Guerilla, als auch die ebenfalls marxistische ELN-Guerilla torpedieren den Friedensprozess. Die ELN erwägt, die berüchtigte Praxis von Geiselnahmen zwecks Lösegelderpressung wieder aufzunehmen. Die FARC-Dissidenten sind derweil für brutale Anschläge verantwortlich, unter denen vor allem die Zivilbevölkerung und die Indigenen leiden.
Die Zeitung “El Espectador” kommentierte, die neue Serie von Gewalttaten und Bombenanschlägen von FARC-Dissidenten in Cauca und Valle habe die seit März andauernde Krise Regierung und Rebellen weiter verschärft. Armee-General Erik Rodriguez sagte in einem Radio-Interview, die aktuellen FARC-Leute agierten kontraproduktiver als alle ihrer Vorgänger-Organisationen.
Verteidigungsminister Ivan Velasquez sagte mit Blick auf die jüngsten Anschläge laut einem Bericht von “El Tiempo” (Mittwoch): “Was sie getan haben, macht jede Möglichkeit eines Waffenstillstands zunichte.” Die Guerilla sei nur an einer Waffenruhe interessiert, um weiterhin ungestört ihren kriminellen Machenschaften nachgehen zu können. “Es geht ihnen nicht um den Frieden, sondern darum, ihren Reichtum durch Drogenhandel, illegalen Bergbau und Erpressung zu vergrößern”, so Velasquez. Das klingt gewiss nicht nach einem baldigen “totalen Frieden”.
Ungemach droht auch von anderer Seite. Auf die Ankündigung der ELN-Guerilla, wieder Geiseln zu nehmen, erklärte der Friedensbeauftragte der Regierung, Otty Patino, man werde “keine Abkommen unterzeichnen, die eine Vertretung legitimieren, die sich nicht an die Vereinbarungen hält”. Abgemacht war zwischen Regierung und ELN eigentlich, dass die Guerilla ihre Praxis der Geiselnahmen einstellt. Es könne keine Vereinbarung mit einer Kraft geben, die weiterhin den Horror des Menschenhandels zulasse, so Patino angesichts der neuen Entwicklung. Die Guerilleros wiederum werfen der Regierung vor, ihrerseits Absprachen gebrochen zu haben und nicht verlässlich zu sein.
Wie es nun weitergeht, ist unklar. Die kolumbianische katholische Kirche, die in Krisenzeiten als Vermittler fest eingeplant ist und immer wieder eine treibende Rolle spielte, hält sich in dieser Phase mit Erklärungen zurück. Ein Ausweg aus der verfahrenen Situation ist nicht in Sicht. Sollte der Friedensprozess scheitern, wäre Petro um die entscheidende Botschaft seiner Präsidentschaft gebracht. Bewegen müssten sich jetzt vor allem die Guerillabanden. Danach aber sieht es derzeit nicht aus.