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Nein heißt Nein! Und jetzt?

Die Silvesternacht 2015/2016 brachte das Fass zum Überlaufen: Die Politik hat die Gesetze bei sexueller Nötigung und Vergewaltigung verschärft. Das ist richtig – wenn auch in der Praxis schwierig

So etwas wie in der Kölner Silvesternacht 2015/2016 mit massenhaften sexuellen Übergriffen und Belästigungen darf sich nicht wiederholen. Darüber besteht Einigkeit.
Es war ein Schock, dass Übergriffe in diesem bisher nicht bekannten Ausmaß stattgefunden haben. Die Politik hat reagiert und hat das Sexualstrafrecht reformiert, bekannt geworden unter der Überschrift „Nein heißt Nein“. Die Vorschriften zur sexuellen Nötigung und Vergewaltigung sind neu gefasst worden.
Es kommt nicht mehr darauf an, dass der Täter Gewalt anwendet, sondern es ist bereits strafbar, wenn sich der Täter über den „erkennbaren Willen“ des Opfers hinwegsetzt. Der „erkennbare Wille“ muss daher entweder  verbal („Nein“) oder konkludent beispielsweise durch Weinen oder Abwehr ausgedrückt werden.
An diesem Punkt gibt es auch Kritik, da eben nicht klar sei, was mit „erkennbarer Wille“ gemeint sei. Erkennbar für wen: den Täter oder einen objektiven Dritten (etwa das Gericht)?, fragen kritische Stimmen.
Auch nach der Reform wird es schwierig bleiben, Übergriffe zu beweisen. Deshalb ist es wichtig,  Zeugen zu benennen:  Gibt es überhaupt welche, was genau haben die gesehen? Und sind sie bereit, im Prozess auszusagen?
Klar ist aber auch, dass eine schwierige Beweisführung kein Grund ist, Straftaten nicht zu verfolgen.
Als weitere Konsequenz aus den Vorfällen der Kölner Silvesternacht wurde auch die sexuelle Belästigung unter Strafe gestellt (§ 184i StGB). Strafbar macht sich demnach derjenige, der eine andere Person in sexuell bestimmter Weise berührt und dadurch belästigt, etwa durch „Begrapschen“.
Neu eingeführt wurde auch der § 184j StGB zu „Straftaten aus Gruppen“.  Er richtet sich gegen Personen, die aus einer Gruppe heraus eine andere Person bedrängen, um sie beispielsweise sexuell zu nötigen. Wer Teil einer solchen Gruppe ist, macht sich strafbar.
Die Reformen des Sexualstrafrechts haben auch Auswirkungen für Ausweisungsbestimmungen im Aufenthaltsgesetz. Unter bestimmten Umständen können ausländische Straftäter schneller ausgewiesen werden. Das ist auch innerhalb der politischen Lager sehr kontrovers  diskutiert worden.
Vorfälle wie in der Kölner Silvesternacht dürfen sich nicht wiederholen. Sexuelle Übergriffe müssen verfolgt und bestraft werden. Das ist und bleibt juristisch schwierig, insbesondere die Beweissituation. Darüber muss man sich im Klaren sein.
Es ist zu hoffen, dass von der Gesetzesreform nicht nur das Schlagwort „Nein heißt Nein“  übrig bleibt, sondern sie auch einen praktischen Nutzen hat und zu  mehr Verurteilungen führt.

Sylvia Bachmann-Breves ist Juristische Referentin im Frauenreferat und Gleichstellungsbeauftragte im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche von Westfalen.