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Nach Missbrauchsbericht: Wird die Fuldaer Dyba-Allee umbenannt?

Bischof Johannes Dyba verstand sich als Kämpfer für Lebensschutz und traditionelle Werte. Für Andersdenkende fand er scharfe, mitunter auch verletzende Worte. Bei Missbrauch soll er aber weggeschaut haben.

Den Anfang machten Straßen, die nach NS-Größen benannt waren. Bundesweit machten sich Bürger für deren Umbenennungen stark. Inzwischen kommen auch Personen aus der jüngeren Geschichte in den Blick. So wurde vor kurzem in Trier der Bischof-Stein-Platz zum Platz der Menschenwürde. Konstanz und Freiburg beauftragten Historikerkommissionen, um alle Straßennamen systematisch durchzugehen.

Im osthessischen Fulda hat nun die Debatte um die historische Einordnung des früheren Fuldaer Bischofs Johannes Dyba (1929-2000) begonnen: Seine Fans feiern ihn bis heute als wortgewaltigen Verteidiger katholischer Wahrheiten. Kritiker lehnten ihn als intoleranten Moralapostel ab.

25 Jahre nach seinem Tod debattiert Fulda nun, ob die Johannes-Dyba-Allee am Domplatz umbenannt werden soll. Der Auslöser: Ein im Juni veröffentlichtes Gutachten zeigt, dass Dyba Hinweisen auf sexualisierte Gewalt und Missbrauch durch Priester nicht entschieden nachgegangen ist, sondern die Fälle an seinen Weihbischof abgegeben hat. Konsequente Aufklärung und Opferschutz habe es nicht gegeben. Stattdessen seien mutmaßliche Täter einfach versetzt worden, so das Fazit der Studie.

Auch der heutige Bischof Michael Gerber kritisierte seinen Vor-Vorgänger. “Ich habe als Bischof eine Letztverantwortung und vor allem auch eine moralische Verantwortung für solche Vorgänge – und ich habe die Pflicht, mich informieren zu lassen über derartig gravierende Personalvorgänge”, betonte Gerber nach der Veröffentlichung des Berichts.

Klar ist allerdings auch, dass die Studie der unabhängigen Aufarbeitungskommission nur allgemeine Strukturen und große Linien aufzeigt, aber keine konkreten Fälle und Vorwürfe im Detail aufarbeitet. Der Bericht wirft dennoch einen Verdachtsschatten auf Dyba, der lange ein prominentes Gesicht der katholischen Kirche in Deutschland war.

Der SPD im Fuldaer Stadtparlament reichen die Hinweise auf Dybas Fehlverhalten. Sie hat deshalb die Umbenennung in Kastanienallee beantragt – so wie die nur rund 150 Meter lange Straße bis zum Jahr 2000 hieß. Der Fuldaer SPD-Fraktionsvorsitzende Jonathan Wulff sagte im hr-Fernsehen, es sei “unerträglich”, dass die zentral gelegene, repräsentative Allee weiterhin Dybas Namen trage. In Leserbriefen schlagen die Wellen zwischen Dyba-Kritikern und Dyba-Anhängern hoch.

Ob es noch vor den im nächsten Jahr anstehenden Kommunalwahlen eine Entscheidung geben wird, ist fraglich. Am nächsten Montag will der Haupt- und Finanzausschuss des Fuldaer Stadtparlaments über das weitere Vorgehen beraten.

Denkbar wäre, Historiker zu beauftragen, um Dybas Verhalten wirklich detailliert zu untersuchen. Beim Bistum Fulda heißt es, man begrüße jede Aufarbeitung. Wichtig sei auch, die Einschätzungen von Missbrauchsbetroffenen einzuholen

Letztlich geht es um erinnerungspolitische Grundsatzfragen. Können als Würdigung einer Lebensleistung vor Jahrzehnten erfolgte Straßenbenennungen Bestand haben? Oder müssen sie sich heutigen Bewertungen stellen? Dürfen nur Personen Namenspaten sein, deren Biografie keinerlei Schattenseiten hat? Wer kommt dann überhaupt noch infrage? “Vielleicht haben wir irgendwann nur noch nach Blumen benannte Straßen, das wäre mit Sicherheit unbedenklich”, sagt ein Beobachter der Fuldaer Debatte ironisch.

Denkbar ist, dass die CDU-Mehrheit im Stadtparlament den Antrag ablehnt. Denkbar ist aber auch, dass Fulda dem Beispiel anderer Städte folgt und an den Straßenschildern Zusatztafeln anbringt, um kurz zu informieren oder per QR-Code auf eine Internetseite zu verweisen, die die Kritik an Dyba wie seine Leistungen beschreibt.

In den Fokus könnten dann auch zwei weitere nach früheren Fuldaer Bischöfen benannte Straßen und Plätze kommen: der Eduard-Schick-Platz neben dem Dom und die Adolf-Bolte-Straße. Auch hierzu gibt es im Stadtparlament bereits einen Antrag.