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Nach Bosnien-Boykott – Europäische Rabbinerkonferenz tagt in Bayern

Es gibt Rufe, den angestrebten EU-Beitritt von Bosnien-Herzegowina zu überdenken. Grund ist eine Absage einer hochrangigen Tagung europäischer Rabbiner, die in dem Land hätte stattfinden sollen.

Die geplante Sitzung des Ständigen Ausschusses der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER) findet nächste Woche nach Boykottaufrufen unerwartet in München statt. Ursprünglich hätte die Tagung in Sarajevo veranstaltet werden sollen. Nach Boykottaufrufen in Bosnien-Herzegowina und der Ausladung durch das Tagungshotel in letzter Minute habe die orthodox geprägte CER die Sitzung jedoch abgesagt, teilte Präsident Pinchas Goldschmidt am Mittwochabend mit. “Wir sind nicht willkommen.”

Auslöser des Streits mit dem Balkan-Staat war ein Offener Brief des bosnischen Arbeits- und Sozialministers Adnan Delic. Darin schreibt er mit Blick auf den Nahostkonflikt: “Wir dürfen nicht zulassen, dass Sarajevo zu einem Ort wird, der Völkermord rechtfertigt. Sarajevo stand und wird immer auf der richtigen Seite der Geschichte stehen – auf der Seite der Gerechtigkeit und der Menschenwürde.” Nicht zuletzt stehe Sarajevo “auf der Seite Gazas”, so Delic.

Bosnischen Medien zufolge kritisierten auch andere das geplante Treffen, darunter der frühere Großmufti Mustafa Ceric. Zudem wurden Vergleiche zwischen dem Gaza-Krieg und Bosnien-Herzegowinas eigener Vergangenheit laut: Während des Bosnienkrieges (1992-1995) hatten ethnisch-serbische Nationalisten Tausende muslimische Bosniaken getötet; Sarajevo stand monatelang unter Belagerung. Als tragischer Höhepunkt des Kriegs gilt das Srebrenica-Massaker 1995, bei dem mehr als 8.000 Menschen ums Leben kamen.

Der Direktor des Srebrenica-Gedenkzentrums, Ahmed Kulanic, unterstellte nun der Rabbinerkonferenz laut Berichten, eine “Ideologie zu fördern, die grundlegende Menschenrechte verweigert”.

Goldschmidt bezeichnete die Entwicklung als “Schande”. Der Oberrabbiner betonte: “CER-Veranstaltungen fördern den Dialog, stärken die interreligiöse Zusammenarbeit und fördern die öffentliche Auseinandersetzung. Das ist ein Verlust für Sarajevo.”

Unterdessen begrüßte der bayerische Beauftragte gegen Antisemitismus, Ludwig Spaenle, den Wechsel der Rabbiner nach München: “Die Europäische Rabbinerkonferenz ist in Bayern und München hoch willkommen.” Das Verhalten des EU-Beitrittskandidaten Bosnien-Herzegowina bezeichnete er als “skandalös” und “mehr als verwunderlich”. Die EU müsse diesen Vorgang in die Beurteilung des Beitrittsprozesses miteinbeziehen.

Auslöser des Gaza-Kriegs war ein Angriff von Terroristen der islamistischen Hamas und anderen Organisationen auf israelische Orte, ein Musikfestival und Armeestützpunkte entlang der Grenze zum Gazastreifen am 7. Oktober 2023. Dabei wurden etwa 1.200 Menschen getötet und rund 250 Geiseln verschleppt. Etliche kamen inzwischen frei; viele wurden getötet. Weiterhin werden zahlreiche Geiseln festgehalten. Die palästinensische Seite beklagt indes Zehntausende Todesopfer durch Angriffe Israels.