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Musical „Oktoberfest – Beinah wahr“: Augenzwinkernder Geschichtsrückblick

Es ist das weltweit größte Volksfest, das seinen Ursprung im Jahr 1810 hat. Jetzt hat es sein eigenes Musical im Berliner Renaissancetheater: Das Oktoberfest. Unser Autor hat es sich angeschaut.

Das Team vom "Oktoberfest"-Musical
Das Team vom "Oktoberfest"-MusicalRenaissance Theater / Ann-Marie Schwanke

Seine Weltpremiere erlebte das Musical in Los Angeles. Das hat seinen Grund, feierte hier doch der Schöpfer der Musik des Musicals und geborene Münchner, Harold Faltermeyer seine größten musikalischen Erfolge. Erinnert sei da an sein Thema „Axel F“ aus dem Film „Beverly Hills Cop“ von 1984 oder an seine Zusammenarbeit mit Diskolegende Donna Summer. Mit „Oktoberfest The Musical Beinah wahr“ kehrt er quasi zurück nach Hause, nach München, um dem Volksfest ein skurril-musikalisches Denkmal zu setzen.

Worum geht es im Musial „Oktoberfest – Beinah wahr“?

Erzählt wird die Geschichte von der Entstehung des Festes im Jahr 1810. Damals fand die Hochzeit von Kronprinz Ludwig von Bayern (später König Ludwig I.) und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen statt, nämlich genau am 12. Oktober. Die Bürger Münchens wurden eingeladen, an den Festlichkeiten teilzunehmen, die auf den Feldern vor den Toren der Stadt stattfanden. Diese Felder wurden später “Theresienwiese” genannt, zu Ehren der Braut.

Die Einladung des Volkes war ein Novum in der damaligen feudalen Gesellschaft. Ebenso, wie ein Pferderennen, dass damals ein riesiger Publikumserfolg war. So beliebt, dass man beschloss, es im folgenden Jahr zu wiederholen, wodurch die Tradition des Oktoberfests begründet wurde.

Im Laufe der Jahre entwickelte sich das Fest weiter und wurde um verschiedene Attraktionen wie Karussells, Schießbuden und Bierzelte erweitert.

Im 19. Jahrhundert wurde das Oktoberfest mehrfach aufgrund von Kriegen und anderen Ereignissen abgesagt, aber es kehrte immer wieder zurück und wuchs kontinuierlich. Im Laufe der Zeit verlagerte sich der Beginn des Oktoberfests auf September, um besseres Wetter auszunutzen, wobei das Fest traditionell im Oktober endet. Heute zieht es Millionen von Besuchern aus aller Welt an und ist bekannt für riesige Bierzelte, traditionelle bayerische Musik, Trachten und eine Vielzahl von Fahrgeschäften und Attraktionen.

Laientheatergruppe spielt Theaterstück über das Oktoberfest

Allein, diese Geschichte zu erzählen, wäre wohl etwas tröge und so wurde von Texter Philip La Zebnik eine weitere Ebene ins Stück geschrieben, die in der Jetzt-Zeit spielt:

Eine wild durcheinander gemischte Laientheatergruppe hat es selbst in die Hand genommen, ein Theaterstück über das Oktoberfest zu kreieren. Dass es darin hauptsächlich um Bier geht, passt der Produzentin des Ganzen so gar nicht.

Sie, eine Nachfahrin der Wittelsbacher, der bayerischen Königsdynastie, hat ein nicht unbeträchtliches Erbe in die Produktion der Show gesteckt. Hochdekorierte Schauspieler*innen wurden von ihr engagiert, um eine ganz andere Geschichte zu erzählen:

Stück über bayerisches Bier und bayerische Geschichte

Dieser Fluch besagt, dass eine weiße Frau, ein Geist, immer vor dem Tod eines Mitglieds der Familie der Wittelsbacher erscheint.

„Das ist zwar gruslig, aber doch kein Thema für eine Show“ denkt sich der Chef der Laienspieler und hat deshalb die von ihr engagierten Starschauspieler*innen in Abwesenheit der Produzentin einfach wieder nach Hause geschickt.

Er hätte gern ein Stück über bayerisches Bier, sie eines über bayerische Geschichte. Und so ringen die Truppe und ihre Produzentin miteinander und um jeden einzelnen Song der Show.

Das macht die eigentliche Dynamik des Stückes aus: das Kämpfen miteinander bis Hin zum letzendlichen Einknicken der Produzentin, die wie alle zum Schluss ihre Maß in die Höhe reckt und mit einstimmt in den Chor und das Hummtatta übers „Bavarian Beer“.

Vieles an diesem Stück erinnert in seiner Verrücktheit, Aufsässigkeit und Rebellion (vielleicht auch gegen die immer gleichen durchgenormten Musicals) an Glanzstücke wie „The Producer“ oder „Cabaret“.

Wer sind die Darsteller?

Nicht zuletzt durch die Rolle des MC, des Entertainers und Boss der Laienspielgruppe, der durch das Stück führt, wird man an diese Musicals erinnert. Kaum jemand, der für diese Rolle besser geeignet wäre, als Ausnahme-Darsteller Christoph Marti.

Wie auch sein Partner Tobias Bonn, der den Kronprinzen und Schürzenjäger Ludwig gibt, wurde er als Ursli Pfister, einem Teil der Geschwister Pfister über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Beide stehen immer wieder auf den verschiedensten Berliner Bühnen und liefern immer ab.

Aber auch der Rest der Truppe macht „Oktoberfest. The Musical. Beinah wahr“ zu einem Spass für alle Sinne: Marie Cécile Nest als naive Königin Therese, Moritz Carl Winklmayr, der als durchgeknallte Prinzessin Alexandra einen superwitzigen Auftritt hat, mit einem Lied ganz im Falsett gesungen, oder auch Heather Litteer als aufstrebendes Showsternchen.

Bayerisches Ambiente im Bühnenraum

Auch das Bühnenbild und die Kostüme passen und erinnern an Abende im Zirkus: bunt, laut, schräg mit viel Bayernflair a la Strohballen und Bierfässern. Das Einzige, was mich störte, war das Umschalten zwischen deutschen Dialogen und den Songs in Englisch. Ich verstehe, dass das Theater auch englischsprachige Berlin-Besucher bedienen möchte (was ja auch schon durch die Übersetzung ins Englische auf Bildschirmen geschieht), dennoch hätten deutsche Songtexte dem Stück einen Gefallen getan.

Dadurch, dass man hineingesogen wird in den Disput zwischen der Truppe und ihrer Produzentin, merkt man erst spät, dass man hinterrücks selbst vom Hummtatta-Geist des Musicals erfasst wurde. Bestes Kompliment für das Stück: wenn Berliner, die mit dem realen Oktoberfest meist nur wenig zu tun haben wollen, am Ende lauthals „Ein Prosit auf die Gemütlichkeit“ mitsingen!

Spielzeiten, Tickets und Preise

Zu sehen ist „Oktoberfest.The Musical. Beinah wahr“ noch bis zum 11. August immer 19.30 Uhr im Renaissancetheater, Knesebeckstrasse 100, 10623 Berlin Tickets von 15 bis 50 Euro unter +49 30 312 42 02