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Mit gutem Gewissen

Christen sollen laut dem achten Gebot nicht lügen. Dennoch dürfen auch sie sich am 1. April mit gutem Gewissen einen Scherz erlauben. Was den Aprilscherz von einer Lüge unterscheidet

pathdoc - Fotolia

Man darf nicht lügen. So steht es jedenfalls in den Zehn Geboten. Da heißt es im achten Gebot: „Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen.“ Und das ist die klare Aufforderung, nicht zu lügen. Am 1. April indes nimmt man es mit der Wahrheit mitunter nicht allzu ernst.

Lügen zerstören jegliches Vertrauen

Warum das Lügenverbot generell sinnvoll ist und im Zusammenleben hilft, merkt man, wenn man schon einmal belogen wurde. Kommt die Wahrheit ans Licht, ist man tief getroffen. Plötzlich wird infrage gestellt, was überhaupt noch wahr ist und wem man vertrauen kann. Ist es aber nicht möglich, einem anderen zu vertrauen, wird das Leben kompliziert. Und wer niemandem mehr vertraut, weil er immer befürchtet, belogen zu werden, kann keine Beziehungen mehr leben. Ohne Beziehungen, ohne Gemeinschaft ist der Mensch als soziales Wesen nicht lebensfähig. Daher ist es gut und richtig, dass es  in den Zehn Geboten heißt: „Du darfst nicht lügen.“
Der Kirchenvater Augustinus definiert die Lüge so: Sie ist eine Rede gegen das Gewissen und eine Falschaussage mit Täuschungsabsicht. Allerdings ist ja gerade zum 1. April eine Form der Lüge – wenn man es genau nimmt – sehr beliebt. Medien und Unternehmen veröffentlichen Meldungen, die im Grunde Falschaussagen mit Täuschungsabsicht sind. Da ist die Rede von ganz neuen Produkten, die auf den Markt gebracht werden sollen oder von unglaublichen Begebenheiten. Manchmal führen diese Nachrichten zu heftigen Reaktionen bei den Lesern, die die Neuigkeit für bare Münze nehmen und sich täuschen lassen.
Und trotzdem kann man wohl einen Aprilscherz nicht als ein Verstoß gegen das achte Gebot betrachten. Denn auch wenn jemand getäuscht wird, ist am 1. April damit zu rechnen, dass Falschmeldungen gestreut werden. Und oft sind die Nachrichten so abstrus oder offensichtlich falsch, dass man leicht darauf kommen kann, dass es ein Aprilscherz sein muss.
Oder, wie ein Pfarrer sagte, „wenn eine blinde Frau mit Krückstock“ sehen kann, dass das gar nicht sein kann, dann ist es keine Lüge. Da kann die Definition nach Augustinus für denjenigen eine Hilfe sein, der mit bester Absicht einen Mitmenschen in den April schicken will: Denn es geht ja nur um die Falschaussage mit Täuschungsabsicht; eine echte Lüge dagegen ist – laut Augustinus – eine Rede gegen das Gewissen.

Den Nächsten im Blick haben

Es gilt bei jedem Scherz zu hinterfragen: Ist er mit dem Gewissen vereinbar? Was könnte im schlimmsten Fall passieren, wenn der andere diese Aussage glaubt? Wer das Gewissen nicht außen vor lässt und liebevoll auf den Nächsten schaut, wird einen guten Aprilscherz machen. Gegen einen guten Scherz ist nichts einzuwenden, schließlich gibt es auch verschiedene kirchliche Traditionen rund ums Scherzen. So wird in vielen Gegenden in der Osterpredigt ein Witz erzählt, um lachend den Teufel zu verhöhnen.
Wo diese Traditionen gepflegt werden und gelingen, zeigen sie, dass eine Gemeinschaft funktioniert und lebendig ist. Hinter einem guten Scherz steckt die Auseinandersetzung mit dem Nächsten. Worauf könnte er anspringen? Welche Finte könnte gelingen? Aber eben auch: Was ist noch im Rahmen? Ab wann geht es zu weit? Wo generell gelogen wird, gibt es keinen Sensus mehr für Scherze. Da muss vielmehr ein Lügengebäude aufrechterhalten werden, das nicht zusammenbrechen darf.
Wer den nächsten Aprilscherz plant, sollte sein Gewissen dabei nicht außen vor lassen, sondern den Nächsten liebend in den Blick nehmen. Dann wird es sicher auch ein Spaß für den, der auf den Scherz hereinfällt – und am Ende können alle herzlich miteinander lachen.