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Mit Ecken und Kanten

Wer sich Geschichte gern in flotter Sprache präsentieren lässt, ist mit der neu erschienenen Luther-Biographie des Philosophen und Schriftstellers Joachim Köhler gut beraten. Köhler beschreibt das Leben des Reformators temporeich und plastisch. Und auch, wenn die von ihm gern gebrauchten Begriffe aus der gegenwärtigen Politik, Justiz und Psychologie nicht immer eins zu eins auf die Gegebenheiten des Spätmittelalters zu übertragen sind – gut lesbar machen sie das Buch allemal.
Köhler bietet einen weiten Überblick sowohl über Luthers persönliche theologische Entwicklung wie auch über die (kirchen-)politischen Gegebenheiten, die dessen Aufbruch in eine neue Zeit mitbestimmt haben. Als indirekten Anstifter des Thesenanschlags sieht er Luthers Unterstützer Kurfürst Friedrich den Weisen von Sachsen, der an einer Verlagerung der Machtverhältnisse im Deutschen Reich interessiert war. Statt jedoch selbst die Konfrontation mit Papst Leo X. zu wagen, habe er, unterstützt von seinem geistlichen Berater Staupitz, Luther ins Rennen geschickt, meint Köhler. Der seinerseits wiederum ein eigenes Interesse verfolgte: die Erneuerung der Kirche – aus der tiefen Überzeugung heraus, dass der Christus der Bibel ein anderer sei als der, den die Kirche verkündigte.
Der Autor verschweigt nicht die Vorwürfe gegen Luther, die ihm etwa für seine unversöhnlichen Positionen den aufständischen Bauern und den Juden gegenüber gemacht werden. Er erklärt aber auch ausführlich, wie es zu den jeweiligen Einschätzungen kam und zeigt dabei etwa, dass Luther viel eher dem Frieden als dem Kampf zugeneigt war. Er sei ein Mensch gewesen, der mit einem Bein in seiner Zeit, mit dem anderen in der Bibel gestanden habe, meint Köhler. Und der sich dabei ganz sicher gewesen sei: Das Reich Gottes ist mitten unter uns. leg

Joachim Köhler: Luther! Biographie eines Befreiten. Evangelische Verlagsanstalt, 405 Seiten, 22,90 Euro.