Beten? – Nichts einfacher als das! Oder doch nicht? Schon bei den richtigen Worten kommen manche ins Schleudern. Mit welcher Sprache redet man Gott angemessen an? Ist es die Gebetssprache des Gottesdienstes? Sind es die wohlgesetzten Formeln der Liturgie und die Psalmen, die würdig genug dafür sind?
Doch nicht jeder findet einen Zugang dazu. Das zeigen die ehrlichen Worte einer Frau an ihren Pfarrer (siehe Andacht, S. 3). Zu den Gebetsworten im Gottesdienst sagt sie: „Die kommen ja nicht von mir. Die sprechen mir nicht aus dem Herzen.“
Wie aber kann das Reden mit Gott aus dem Herzen kommen? Die Frau findet ihren Zugang zum Gebet, als ihr Mann im Krankenhaus liegt. Da klagt sie Gott an, redet Tacheles mit ihm, weil sie ihn nicht versteht. Und sie drängt ihn um Hilfe.
So geht Beten. Und es tut gut. Menschen wenden sich aus der Tiefe ihrer Seele an Gott, mit aller Sorge, Wut, aber auch mit aller Freude und allem Dank. Und sie achten nicht akribisch darauf, wohlformulierte Worte zu sprechen. Hier spricht der innere Mensch – ja mehr noch: Vielleicht betet der Heilige Geist schon längst in einem Menschen und vertritt den Betenden mit „unaussprechlichem Seufzen“ (Römer 8,26).
Ist das geformte Gebet im Gottesdienst damit das schlechtere Beten, ein Auslaufmodell? Wohl kaum. Jesus selbst hat mit dem Vaterunser so ein Gebet geschenkt und dazu aufgefordert: „So sollt ihr beten …“. Gott gibt Sprachhilfe, damit niemand verstummen muss, weil er keine Worte findet. Die Psalmen sind eine Schatzgrube menschlichen Betens in allen Lebenslagen. In diese vertrauten Sätze kann man sich hineinfallen lassen, egal wie die Tagesstimmung ist.
Jeder wird für sich die richtige Balance finden müssen, zwischen beiden Gebetssprachen, der festen oder der frei formulierten. Gut ist es, in beiden zu Hause zu sein. Das kann zum einen davor bewahren, das Gebet auf persönliche Lieblingsthemen engzuführen. Zum anderen kann es davor bewahren, die Worte anderer nachzubeten, ohne sich selber vor Gott zu bringen.
Eine gute Balance der Gebetssprachen ist auch für den Gottesdienst wichtig. Es ist die große Verantwortung der Liturgen, eine Sprache zu finden, die zwar kunstvoll, aber nicht künstlich ist und in der sich die Gemeinde wiederfinden kann. Eine ehrfürchtige und zugleich aufrichtige und verständliche Sprache sollte es sein, die die Seele auf den Höchsten ausrichtet. Beten ist weder Selbstgespräch noch Dialog zwischen Pfarrer und Gemeinde. Es ist die Hinwendung zu Gott, mit Kopf und Herz – ein heiliger Moment.
Dazu braucht es nicht viele Worte, wie das sogenannte Herzensgebet es für die persönliche Stille zeigt. Die Gebetsanliegen, die oft einen großen Teil des Betens einnehmen, haben nun Pause. Es reicht völlig, bei einem Wort oder Satz zu verweilen – etwa: „Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner!“ –, um ganz nah bei Gott zu sein.